Ein Silberstreif nach tristen Jahren
Erste Volksfeste nach dem Krieg sollen über die bedrückende Lage hinweghelfen
Als im Juni 1950 nach elf Jahren Pause wieder ein Volksfest mit klingendem Spiel eröffnet wird, ist dies eine Art der Therapie gegen die Depression der damaligen Zeit. Unmittelbar zurück liegt ein verheerender Krieges mit 55 Millionen Toten; viele Gefangene schmachten noch in fernen Lagern. Die Währungsreform ist noch frisch in Erinnerung und erst Wochen zuvor haben nach langer Zeit der Zwangsbewirtschaftung die letzten Lebensmittelmarken ihre Gültigkeit verloren. Zu allem Überfluss löst am 25. Juni 1950 der Angriff nordkoreanischer Truppen einen neuerlichen Waffengang aus, von dem niemand sagen kann, wie er denn enden wird.
Valentin Limmer, der Pächter der Bahnhofsrestauration ? er hatte schon die ersten Volksfeste ab 1925 betreut ? zieht mit dem Vilsbiburger Musikverein in das Festzelt ein. In ein Zelt deshalb, weil in der Halle parallel eine reichhaltig beschickte Gewerbeausstellung zu sehen ist. Die Leistungsschau des heimischen Handwerks und der Industrie soll erste Ansätze einer wirtschaftlichen Belebung dokumentieren und eine Landwirtschaftsschau Besucher aus dem noch weitgehend bäuerlich geprägten Vilsbiburger Land anlocken. Hier werden die neuesten Maschinen gezeigt und eine Rinder-Leistungsschau soll nicht nur ?modellierte Jungstiere, formschöne Jungkühe und schön runde Kalbinnen zeigen?. Wie der zeitgenössische Bericht klarstellt, legt man vielmehr Wert auf Zuchttauglichkeit und wirtschaftliche Effizienz.
Kriegsopfertreffen des VdK
Doch damit ist das Rahmenprogramm für 1950 noch längst nicht erschöpft. Es stehen noch ein Jägertreffen und eine Großkundgebung des im selben Jahr gegründeten Verbandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands VdK auf dem Programm. Völlig neu war die Ausrichtung eines Motorradrennens in den Klassen von 100, 125 und 250 ccm. Mit viel Ideenreichtum und enormem Fleiß haben die Schulen einen Kinderfestzug erarbeitet, der mit Festwagen und Fußgruppen die deutschen Märchen und Sagen, das heimische Blumenwelt, das edle Handwerk und das bäuerliche Leben zum Thema hat. Die örtliche Presse bilanziert die gelungene Veranstaltungsreihe so: ?Es waren Tage der Lebensfreude und ausgelassener Stimmung nach all den tristen Kriegs- und Nachkriegsjahren.?
Doch diese positiven Erfahrungen veranlassen die Verantwortlichen keineswegs, im Jahr darauf wieder zu einem Volksfest einzuladen. In den Nachkriegsjahren werden sie im Rhythmus von zwei Jahren veranstaltet und das Bier kommt im Wechsel aus den beiden noch verbliebenen Brauereien: der ?Aktien? und der Brauerei Aschenbrenner. Zu letzterer haben die Wirte der Feste ab dem Jahr 1952 eine besondere Beziehung. Hanna und Matthäus Huber bewirtschaften nämlich die Traditionsgaststätte Aschenbrenner in der Oberen Stadt, im Volksmund nur ?Beim Bräu? genannt.
Reiches Programm 1954
Ein vielfältiges Programm hat der Festausschuss unter der Leitung von Zweitem Bürgermeister Josef Jagenlauf für das Jahr 1954 vorbereitet. Als völlig neuartige Bereicherung des Vergnügungsparks wird das Fahrgeschäft ?Spinne? angekündigt. Am ersten Sonntag lockt die 38. US-Kapelle hunderte Schaulustiger auf den Stadtplatz. Mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis beobachtet man den ?schokoladenfarbigen Dirigenten?, der jedoch gut daran tut, gleich zu Anfang mit dem Stück ?Die lustigen Holzhackerbuam? die Vilsbiburger für sich und seine Mannen zu gewinnen. Kurz darauf bewegt sich der Blumenkorso des Motorsportclubs mit 170 geschmückten Fahrzeugen durch die Straßen. Bei der Prämierung trägt Franziska Zollner, die ihr BMW-Sportcabriolet mit dem neuen Panther-Wappen der Stadt belegt hat, den ersten Preis davon. Dieser Schmuck ist eine Referenz an die 25-jährige Wiederkehr der Stadterhebung, die am Mittwochabend bei einem großen Festabend gefeiert wird. In diesen Jahren endet jeder einzelne Volksfesttag mit einer Attraktion, die zwar jedermann zur Genüge kennt, aber doch immer wieder aufs Neue zu begeistern vermag: Zu mitternächtlicher Stunde verkleiden sich die Musiker als Matrosen und aus einem über den Gästen hängenden Schiffsmodell krachen Raketensalven. Dazu spielt die Kapelle Seemannslieder.
Vieles von dem, was den Menschen der Nachkriegsjahre ein Silberstreif am Horizont gewesen ist, gibt es heute nicht mehr. So ist auch die Institution des Volksfestes ein ferner Spiegel einer vergangenen Zeit.