„Viel köstlich Wachsgebild – Die Lebzelter- und Wachszieherfamilie Lechner in Vilsbiburg“
Ausstellungseröffnung 25. Juni 2011
Neben den Wachsziehereien, die noch in jüngster Zeit existierten, zählt die Firma Lechner in Vilsbiburg zu den ältesten deutschen Betrieben. Barbara Möckershoff, sie war Archivarin im Bischöflichen Zentralarchiv in Regensburg, konnte hier von 1645 bis zum Ende der Tradition zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Vilsbiburger Lebzelter und Wachszieher auflisten und deren Lebensumstände über die Jahrhunderte hinweg beschreiben.
Mit nun neuerlich aus den Archiven der Stadt und des Heimatvereins Vilsbiburg ausgewerteten Archivalien und durch einen jüngst erworbenen Fundus an Schriftgut, Wachserzeugnissen und Modeln aus der Familie und dem Lechner’schen Lebzelter- und Wachszieherbetrieb, konnte das Bild dieses Berufszweigs aus örtlicher Sicht, wie auch die Orts- und Wallfahrtsgeschichte Vilsbiburgs um bedeutende Details ergänzt werden. Auch der Caritas-Verband Regensburg trug mit einer Sachspende unter Vermittlung von Dr. Norbert Möckershoff zur Abrundung der Sammlung bei.
Mit der neuen Vilsbiburger Sonderausstellung „Viel köstlich Wachsgebild – Die Wachszieher- und Lebzelterfamilie Lechner in Vilsbiburg“ und der bereits im Jahr 1985 im Diözesanmuseum in Regensburg gezeigten Ausstellung „Das Werk der fleißigen Bienen – Geformtes Wachs aus einer alten Lebzelterei [Lechner, Vilsbiburg]“ kann nun ein Gesamtüberblick über einen örtlich über Jahrhunderte hinweg kontinuierlich funktionierenden Handwerkszweig vorgeführt und mit einem Katalog dokumentiert werden, wie dies bisher für einen Zweig dieser Branche kaum möglich war. Es darf als Glücksfall bezeichnet werden, dass eine solche Vielzahl und auch Vielschichtigkeit bei den Holzmodeln sowie an original in der Lechner’schen Werkstatt hergestellten Erzeugnissen für die Nachwelt erhalten geblieben ist und nun museal dargeboten werden kann. Und so drängt es den Heimatverein Vilsbiburg förmlich danach, dem Mitbegründer und ersten Leiter seines 100-jährigen Heimatmuseums, dem Heimat- und Familienforscher, Sammler und Wachskünstler Christoph (I) Lechner, wie auch seinen Vorfahren eine Sonderausstellung zu widmen.
Dank zu sagen gilt auch Manfred Bergmeier, der manche Wachsabgüsse aus Originalmodeln wie auch bedeutende Wachserzeugnisse aus der Wachszieherei Lechner dem Heimatmuseum zur Verfügung gestellt hat. Manfred Bergmeier hat in den letzten Wochen noch manches beschädigte Wachsobjekt für uns kostenfrei restauriert, was bei Wachserzeugnissen ein nicht ganz leichtes Unterfangen darstellt. Dafür sei ihm an dieser Stelle nochmals gedankt.
Die Sonderausstellung ist in acht Hochvitrinen und zwei Tischvitrinen untergebracht. Wegen der Fülle des Materials ist es in den Vitrinen wieder recht eng geworden, was aber gerade die über Jahrhunderte hinweg in großen Mengen produzierten Wachserzeugnisse unterstreicht. Die Dokumentation mit Bildern, in der Familie Lechner wurde viel fotografiert, dann mit Plänen, Ausschnitten aus den Mirakelbüchern von Angerbach und Wippstetten, dann Dokumenten zum Handwerksbetrieb und zur Familiengeschichte der Lechner, aber auch eine wohl dosierte Beschriftung der Objekte, die sich in ausführlicher Form natürlich in der reich und farbig bebilderten 13. Museumsschrift mit 234 Seiten und über 500 Katalognummern wieder findet, trägt zum besseren Verständnis der Sonderausstellung bei. Eine geradezu ideale Ergänzung und Abrundung der Ausstellung bildet der 1986 erworbene und seit 1995 aufgestellte Lebzelterladen mit originaler Kassettendecke aus dem Besitz Lechner aus der Zeit um 1890, den man in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sonderausstellung besuchen kann. Es ist so ein Hauch von Café Lechner erhalten geblieben.
Den Schwerpunkt des Handwerksbetriebs stellt naturgemäß die Kerzenherstellung dar, hier dokumentiert durch ein so genanntes Kirchenbuch mit Liefereinträgen an Kirchenverwaltungen, die in einer Vitrine mit zahlreichen Objekten verschiedenster Art und Verwendung mit Wachsstöcken in ihrer phantasiereichen Gestaltung gezeigt werden.
Ein besonderes Kapitel bilden die aus Holzmodeln abgegossenen Votivgaben, die gerade in der Lechnerschen Lebzelterei in breiter Vielschichtigkeit ab dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben sind. Die in den Wallfahrtskirchen gespendeten Wachsvotive und die in den Mirakelbüchern aufgezeichneten Notrufe der Menschen drücken nur allzu oft durch Krankheit verursachtes Leid aus. So wurden sehr speziell auf verschiedene Körperteile zielende Votive, wie zum Beispiel das wächsene Stichmesser bei Herzleiden und Seitenstechen geopfert. Ein anderes Beispiel bekundet, dass die Medizin oft keine Hilfe mehr erzielte. Die Inanspruchnahme eines Arztes war teuer, zudem war örtlich bis 1804 gar keiner vorhanden. Man wandte sich deshalb an approbierte Bader und Hebammen, wie auch sonstige heilkundige Personen. Und waren deren Heilversuche erfolglos, suchte man Hilfe, wie bei der Lauretanischen Muttergottes von Angerbach bei Gangkofen, wie eines der Beispiele im Jahr 1767 zeigt:
„Ain gewisses Eheweib in Tirnaicher Filiale liget 12 Wochen kranckh in grosser Geschwulst so ihr die Medicin und gebrauchte Mitlen nichts gefruchtet, verlobt sich endlich mit steiffen Vertrauen hieher nach Angerbach zu der hilfreichen Gnaden Muetter Gottes und einen Gebett und einem Wax Zug der so lang seye, das er umb die Capellen herumb langet, und noch auf gehengter in der heil. Capellen zu sechen ist – nach solchen gelibtt ist ihr die Geschwulst vergangen und hat ihr völlige Gesundheit von der Muetter Gottes erhalten.
Weitere Beispiele von Votivgaben in Wachs, die in Verbindung mit einem Opfer in den Opferstock und der Stiftung einer Heiligen Messe zu sehen sind, so der Ablauf eines so genannten, im Mirakelbuch aufgezeichneten Verlöbnisses, lassen sich weiter anführen wie Zahngebiss, Lunge, Herz, Augen, aber auch menschliche Ganz- und Halbfiguren, Köpfe – wir kennen diesen Brauch auch von der Kröninger Keramik – dann Ehebetten, Gliedmaßen, Fatschenkinder, Häuser und Tiergestalten usw. usf.
Religiöse Darstellungen, zum Teil aus Modeln abgegossene Figuren und Reliefs oder in kunstvoller freihändiger Bossierarbeit modelliert, zählen zu den Raritäten. Für den Wallfahrer fertigte der Wachszieher auch Andenken, so die feingliedrigen Relief-Ansichten aus verschiedenen Jahrhunderten unserer Wallfahrtskirche Maria Hilf auf dem Berg in Vilsbiburg.
Einen nicht unbedeutenden Herstellungszweig bildete die Erzeugung der Lebzelten und Lebkuchen. Auch hier kann mit einer Vielzahl von Modeln mit den unterschiedlichsten Motiven aufgewartet werden.
Ein Spezialität Lechners war die Herstellung als Bossierarbeit in Wachs von Wappen und Siegeln, zu denen er verschiedentlich fein gemalte kolorierte Entwürfe, Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen, anfertigte. Eine Sonderstellung nehmen so genannte Galanteriewaren ein, wo mit feinsten Wachsschnüren kleine Körbchen und Miniaturtruhen geformt wurden.
Mit dieser Zusammenschau von Produkten, schriftlichen Zeugnissen, Geschäftspapieren und Fotografien, dann in Verbindung mit dem Lebzelter-Laden kann, wie ich glaube, von einer rundum gelungenen Ausstellung gesprochen werden.
Lambert Grasmann