Hohe türkische Auszeichnung im I. Weltkrieg für einen Vilsbiburger
Anton Feistle erhält den Türkischen Halbmondorden
Kurz nach dem Eintritt des Deutschen Reiches in den Krieg mit dem Verbündeten Österreich-Ungarn am 1. August, tritt das osmanisch-türkische Reich am 29. Oktober 1914 auf Seite der Mittelmächte in die Auseinandersetzungen ein. Und schon erklären Rußland am 2. November und folgend Frankreich und England dem Osmanischen Reich den Krieg. Britische, australische, neuseeländische und französische Truppen landen am 25. April 1915 auf der türkischen Halbinsel Gallipoli. Sie wollen die Durchfahrt durch die Dardanellen und den Bosporus erzwingen, scheitern aber am türkischen Widerstand. Der beste Verbündete der Deutschen ist Enver Pascha. Am 3. Januar 1914 wurde er von Sultan Mehmed V. zum Kriegsminister des Osmanischen Reiches ernannt. Auf der Halbinsel Gallipoli an den Dardanellen, beginnt im Frühjahr 1915 die erste große Zermürbungsschlacht des I. Weltkrieges. Mehr als 100 000 Soldaten sterben während der folgenden elf Monate in den engen Schützengräben, unter ihnen Türken, Deutsche, Engländer, Franzosen, Australier und Neuseeländer. Am Ende können die Türken den Angriff der Westalliierten mit deutscher Hilfe abwehren. Das gereicht auch dem osmanischen Kriegsminister Enver Pascha zum Ruhm.
Einige Vilsbiburger Soldaten sind in der Türkei im Kriegsdienst eingesetzt. Dies sind der Trommler Alois Alt aus Solling bei Vilsbiburg, der Divisionspfarrer Pater Hieronymus Rohrmeier und Anton Feistle, dem Feldwebel des schweren Feld-Artillerie-Regiments, von dessen heldenhaften Einsatz im osmanischen Reich sich im Archiv des Vilsbiburger Museums noch eine hohe Auszeichnung, die osmanische Halbmond-Kriegsmedaille erhalten hat.
In den ersten Tagen des Januar 1916 wird in München der türkischen Sultan mit seiner Gesandtschaft vom bayerischen König Ludwig III. empfangen. Der Besuch gilt der Überreichung der Tapferkeitsmedaille im Namen des Sultans und wird mit der Errichtung einer türkischen Gesandtschaft am Münchner Hof in Verbindung gebracht. Die wirtschaftlichen Beziehungen Bayerns mit dem Orient sollen erweitert werden, dazu hält man eine türkische Gesandtschaft in München und eine bayerische in Konstantinopel für wünschenswert. Am 13.01.1916 meldet der Vilsbiburger Anzeiger: Zur Feier der Säuberung von Gallipoli und der damit erfolgreich abgeschlossenen, denkwürdigen und heldenmütigen Verteidigung der Dardanellen durch die verbündeten tapferen osmanischen Streitkräfte, sowie auch zugleich zum Gedenken an die demnächst bevorstehende militärisch und wirtschaftlich bedeutsame Wiedereröffnung des Bahnverkehrs nach dem Balkan, ist vom deutschen Kultusministerium die Freigabe des Unterrichts für sämtliche Schulen auf einen Tag verfügt worden. Der Vilsbiburger Anzeiger vom 20.01.1916 berichtet: Erster Balkanzug München-Konstantinopel. Der erste Balkanzug München-Belgrad-Konstantinopel, der in Budapest-Galanta mit den von Berlin kommenden Balkanzügen zusammentrifft, ist am Samstag 15.01.1916 um 9:40 Uhr fahrplanmäßig von München abgefahren. Dieser Balkanzug ist der Siegeszug der Zentralmächte und ihrer Verbündeten.
Nahe Verbindung Bayern-Türkei
Der Vilsbiburger Anzeiger vom 12.02.1916 schreibt: Eine außerordentliche bayerische Gesandtschaft hat sich nach Konstantinopel begeben. Im Auftrag von König Ludwig III. von Bayern hatte sich am Mittwoch den 9. Februar eine außerordentliche Gesandtschaft, an deren Spitze General der Infanterie Generaladjutant, Seine Exzellenz Reichsrat Ritter von Haag nach Konstantinopel begeben um dem Sultan ein Handschreiben und die höchste bayerische Ordensauszeichnung zu überreichen.
Im Anzeiger vom 22. Februar 1916, – wo in Frankreich die große Schlacht um Verdun ihren ersten Höhepunkt erreicht hat, – wird im amtlichen türkischen Kriegsbericht aus dem Hauptquartier in Konstantinopel berichtet: Vor der Irakfront bei Kut el Amara ist schweres Infanterie- und Artilleriefeuer. Im Abschnitt von Felahi wurden feindliche Kräfte, die auf dem rechten Ufer des Tigris vorstoßen wollten, nach dreistündigem Kampfe zurückgedrängt und bis in die hintere Verschanzung verfolgt. Nach einem Kampf mit einer feindlichen Eskadron floh diese unter Hinterlassung von mehr als dreißig Toten. Südlich des Kaukasus hatten die Russen 1916 im Kampf gegen das mit Deutschen und Österreichern verbündete Osmanische Reich unerwartete Erfolge. Im Februar nahmen Einheiten der russischen Kaukasusfront die türkische Schwarzmeerstadt Erzurum ein, im April eroberten sie Trabzon.
Marschallstab für den Sultan
Der Anzeiger meldet am 25.03.1916: Generalfeldmarschall von Mackensen ist in Konstantinopel eingetroffen, um dem Sultan den vom Deutschen Kaiser verliehenen Marschallstab zu überreichen. Am Bahnhof von Konstantinopel war ein größerer Empfang durch Marschall Limann von Sanders, Vizeadmiral Souchon und Vertreter der deutschen Botschaft in der Türkei, sowie des Sultan und der türkischen Regierung. Die türkische Presse feiert die Ankunft des deutschen Heeresführers in Leitartikeln. Im September 1916 kommt aus der Türkei, Divisionspfarrer in Pera (Konstantinopel) Pater Hieronymus Rohrmeier nach Hause und erzählt beim Katholischen Arbeiterverein ?interessantes aus dem türkischen Kriegsgebiet?. Im katholischen Arbeiterverein spricht am Sonntag den 16.09. Hochwürdiger Herr Pater Eusebius über: ?Die verbrecherische Innenpolitik Frankreichs?. Außerdem wird Divisionspfarrer Pater Hieronymus Rohrmeier interessantes aus dem türkischen Kriegsgebiet erzählen. Am 24.09.2017 traf der Vizegeneralissimus der osmanischen Armee, Enver Pascha, mit großem militärischem Gefolge spät abends mit dem Balkanzug in München ein, und setzte um Mitternacht die Reise ins Große Hauptquartier nach Berlin fort.
Der Vilsbiburger Anton Feistle erhält aus der Hand Seiner Türkischen Majestät Enver Pascha für seine Dienste, die Halbmond-Kriegsmedaille verliehen. Im Archiv des Heimatvereins Vilsbiburg befindet eine Ablage mit dieser türkischen Kriegsurkunde und dem Orden. Die Inschrift der Urkunde ist osmanisch. In der Übersetzung heißt es dazu: ?1916. Dem Feldwebel des schweren Feld-Artillerie-Regiments Feistle, hat Sr. Majestät der Pascha für die schönen, eifrigen Dienste und Anstrengungen die Kriegsmedaille verliehen. Ebenso hat er auch in jeder Lage in Gesetz und Verwaltung durch schönes Benehmen im Dienst Anerkennung und Lob der Anstrengungen und des Fleißes verdient. ? Kriegsminister Enver Pascha. Neben dem Orden steht der Schriftzug des Sultans: El Gashi. Seit einer Regierungsumbildung im Februar 1917 amtierte Enver zusätzlich als Stellvertreter des neuen Großwesirs Talât Pascha. Der Weltkrieg begann für die Osmanen/Türken früher als für die Europäer, und er endete später; insgesamt dauerte er für sie zehn Jahre ? von 1912 bis 1922. Nichts ist nach diesem Krieg mehr wie zuvor. Am Ende entsteht aus den blutigen Konflikten ein neuer Nationalstaat ? die Türkei.
Anton Feistle war nach dem I. Weltkrieg von 1920 bis 1933 Schriftleiter des Vilsbiburger Anzeigers. Von 1935 bis 1940 unterhielt er einen Druckereibetrieb. Bei der Wehrmacht diente er 1940 bis 1943 und wurde nach dem II. Weltkrieg von der US-Militärregierung von 1945 bis 1946 in Vilsbiburg als Bürgermeister eingesetzt.
Das 400seitige Buch von Peter Käser: ?Mitten im Krieg. Der Weltkrieg 1914/18 und seine regionalen Auswirkungen? ist bei der Vilsbiburger Buchhandlung Koj und zu Besuchszeiten im Heimatmuseum erhältlich.
Peter Käser