Projekt des Heimatmuseums in der neunten Klasse der Realschule im Februar 2020
„Aufs Wiedersehen aber wann?“ – Der Erste Weltkrieg in originalen Quellen
Ein Schulprojekt des Heimatmuseums in der Realschule Vilsbiburg
„Liebste Anna! Theile aus weiter weiter Ferne mit das ich am 9 April also am Ostermontag in Englische Gefangenschaft geraten bin und unverwundet bin … wenn Sie so gut wären und mir wieder eines mit Brief oder Paket mitschiken wollen es dürfen grose Pakete geschickt werden. Das libste wäre mir halt schwarzes Brot und Rauchzeug wenn es Dir wehrt ist Liebste Anna! Sei mir nicht böse über diesen wehrten Brief denn das schreiben geht lange her bis was hin und her komt das nur bitte ich Dich mir umgehend Nachricht zu geben Akohol und Zeitungen, dürfen nicht geschikt werden. Lieste Anna! wenn wir uns einmal Fotografieren lassen dürfen So schicke ich Dir umgehend eines. bitte schreiben es in Latein Lieste Anna! Ich wünsche Ihnen wie ihre wehrten braven Eltern gut Pfingstfeiertage. Und es grüsst nochmalz aus weiter Ferne Ihr braver Ludwig Beck. Leb wohl Schatz. Aufs Wiedersehn aber wann?“
Es sind Quellen wie diese, die uns Menschen heute ein Bild davon vermitteln können, wie es gewesen sein muss, in den Krieg zu ziehen oder als Verlobte oder Frau, Schwester, Vater oder Mutter oder Kind der Männer zurückbleiben zu müssen. Nachdem der Erste Weltkrieg der erste Krieg globalen Ausmaßes war, ist unser Wissen darüber groß, wie fatale Entscheidungen auf verschiedener nationaler Ebene eine Kettenreaktion auslösten. Aber ein Blick in die Lokal- und Regionalgeschichte verbindet uns mit dem Geschehenen. Den eigenen Vorfahren in schriftlichen Quellen oder im Spiegel von überlieferten Objekten näher zu kommen, lässt uns besser begreifen.
Um den neunten Klassen der Realschule Vilsbiburg diese „Begegnung“ zu ermöglichen, hat Museumsleiterin Annika Janßen nun schon im zweiten Jahr einen großen Museumskoffer gepackt und den Geschichtsunterricht im Februar besucht. Im Koffer befinden sich, neben einigen Objekten, die einen Ausschnitt der musealen Sammlung repräsentieren, vor allem schriftliche Quellen. Insbesondere die Feldpost lässt Menschen aus Vilsbiburg selbst zu Wort kommen, sie erzählen ihre eigene Geschichte und die ihrer Kameraden, sie beschreiben das Grauen: „Von Malkowo wurden wir etwa 8-10 km weiter nach links geschoben bis nach Kopina. Bevor dies aber geschah, wurden sämtliche Tote unserer Division zusammen- getragen, worunter auch der Sohn unseres Divisionsgeistlichen, den Herrn Pastor Lohmann, welcher als Leutnant in unserer Kompagnie den ersten Zug führte, war. Er fiel direkt neben mir beim Vorgehen durch einen Schuß von der linken Flanke, welcher durch den linken Arm u. dann als Querschläger durch Lunge u. Herz ging. Es fand ein Feldgottesdienst statt wobei auch die Kameraden beerdigt wurden. Sie werden sich denken können wie es einem Vater zumute ist der am Grabe seines Sohnes predigen muß. Kein Auge blieb tränenleer. Die Zahl der Toten will ich nicht angeben u. Ihnen bloß verraten, daß 4 Massengräber kaum ausreichten die toten Soldaten zu fassen“.
Auf Familienfotos zeigen Gesichter den Ernst der Lage. Oft löst ein Fragezeichen hinter dem „Auf Wiedersehen“ starke Emotionen aus. Die währende Hoffnung, dass der Krieg bald ein Ende finden würde, spricht aus fast jeder privaten Korrespondenz. Manch einer hofft noch, dass der Krieg siegreich zu Ende geht, die meisten wünschen jedoch nur noch irgendein Ende.
Die Zeitung als (noch) einziges Medium war wichtig und lieferte – trotz strenger Zensur – wichtige Hinweise über Verlauf und Stand des Krieges. Eine Anschlagtafel in der Vilsbiburger Redaktion konnte von der Bevölkerung besucht werden und informierte über Erfolge der eigenen Armee, Frontverläufe, natürlich durch die Zensur gefiltert.
Mit diesem umfangreichen Quellenkorpus beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler intensiv und beleuchteten sie nach vier zentralen Fragestellungen: Wie wurde der Kriegsausbruch in der Zeitung dargestellt? Wie erlebten Vilsbiburgs Soldaten ihren Kriegseinsatz? Wie veränderte der Krieg den Alltag der Menschen in Vilsbiburg? Wie erlebten die Menschen in Vilsbiburg das Kriegsende und dessen Auswirkungen? Am Ende der Doppelstunde präsentierten sie Ihre Erkenntnisse der Klasse.
Das Projekt, das auf eine Initiative der Fachbereichsleiterin Geschichte der Realschule Vilsbiburg, Marion Blieninger zurückgeht, soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.