Fischer Dürr-Haus
Das Handwerk der Fischer in Vilsbiburg an Großer und Kleiner Vils, an der Bina und an Teilen der Rott umfasste ehemals über 100 Mitglieder.
Vilsbiburg. Der Abbruch des alten Fischer-Dürr-Hauses am heutigen Mühlenweg markiert in Vilsbiburg das endgültige Ende einer Jahrhunderte alten Fischerfamilien- und Handwerkstradition. Der unbekannte Fotograf hat um das Jahr 1900 gerade noch das bereits im Abbruch begriffene alte Fischeranwesen mit der ehemaligen Hausnummer 185 ablichten können. Laut Häuser- und Rustikal-Steuer-Kataster von 1808 war das Haus aus Ziegeln gemauert, eine Bauweise, die in den Vormärkten nicht selbstverständlich war. Auf dem Anwesen ruhte zu dieser Zeit ein Fischereirecht. Ein weiteres Fischeranwesen mit Fischrecht befand sich im Besitz von Lorenz Brams in Herrnfelden, das dieser um 1908 beseitigt hat. Thomas Hofstetter, Fischer in Mühlen, veräußerte 1904 sein Fischrecht an den Derndlmüller. Nachdem dieser sein Haus abgebrochen hatte, verbrachte er als Privatier seine alten Tage in Vilsbiburg.
Das Fischerhandwerk
Dass auch die Fischer wie Schreiner, Bäcker, Metzger usw. einstmals in einem eigenen „zünftigen“ Handwerk organisiert waren, wo sie nach der Handwerksordnung alljährlich ihren Jahrtag mit Kirchgang und Versammlung zu absolvieren hatten, ist verhältnismäßig unbekannt. Waren sie doch im ehemaligen Landgerichtsbezirk Vilsbiburg weit verstreut an den Flussläufen der Großen und Kleinen Vils, an der Bina und an der oberen Rott bis um Gangkofen ansässig. Handwerksordnungen der Fischer haben sich im Heimatmuseum aus den Jahren 1482, 1554, 1584 und 1738 erhalten. Aussteller der Urkunden waren jeweils die bayerischen Herzöge bzw. Kurfürsten. Im 18. Jahrhundert befanden sich im Vilsbiburger Handwerk der Fischer über 100 Mitglieder verzeichnet. Nach Auflösung der Zünfte 1868 betrieben noch immer 69 Fischer im Bezirksamt das Handwerk, dessen Organisation dann in einen Verein überging.
Die Fischerfamilie Dürr
Der erste auf dem Besitz am Mühlenweg nachweisbare Fischer aus der Familie der Dürr ist Peter „Thier“, der 1662 in Vilsbiburg das Bürgerrecht verliehen bekam. Gleichzeitig, so ein Vermerk im Ratsprotokoll der Marktgemeinde Vilsbiburg, erhielt er von einem „Herrn von Seyboldsdorf das Fischwasser gestiftet“, er konnte es pachten. Ihm folgte sein Sohn Gregor nach, den man 1679 als Bürger aufnahm. Die letzten aus der Fischer-Dynastie der Dürr waren Honorat († 1882) und Michael Dürr († 1896). Deren ledig gebliebenen Schwestern Maria und Monika verkauften das Haus 1897 und bezogen an der Veldener Straße ein neues Heim. Neuer Besitzer wurde Mühlenbesitzer Xaver Balk, der das Fischeranwesen um 1900 abbrach.
Das Fischerhaus am Mühlenweg
Der ehemalige Mesner Franz Xaver Schermer beschreibt als ehemaliger Nachbar der Dürrs in seinen Erinnerungen das Fischeranwesen und schildert detailliert auch die Wohnverhältnisse. Die Haustüre, so Schermer, besaß kein Schloss. Innen war eine hölzerne Klappe, eine so genannte Falle, die man von außen mit einem Schnürl in die Höhe ziehen konnte. Wollte man unter Tags fortgehen und die Türe schließen, so durfte man das Schnürl nur hinein ziehen. Bei der Rückkehr konnte man oben durch eine handbreite Öffnung innen hinunter greifen und die Klappe heben. Zur Nachtzeit wurde die Türe innen mit einem Holzprügel versperrt. Die geräumige Stube war mit Lehm beworfen, wobei im Winter das Wasser von den Wänden lief und sich den Weg über den Stubenboden nach außen suchte. Sie war so niedrig, dass, wie die Dürr-Schwestern erzählten, die 1813 einquartierten hoch gewachsenen Russen darin nicht aufrecht stehen konnten.
An die Stube reihte sich die Küche. „Mein Gott“, so vermerkt Schermer weiter, „was war das für eine Küche!“ Ein ganz finsteres Loch mit einem winzigkleinen Fensterchen, so dass nie eine Sonnenstrahl in die Küche geleuchtet hat. Der Herd war ein mit Ziegelsteinen aufgebauter, mit Erde ausgefüllter und mit einer Ziegelplatte abgedeckter Sockel. Darauf brannte das offene Feuer, dessen Rauch durch einen offenen Kamin abzog. Die Kochtöpfe stellte man um das Feuer, zum Braten wurde eine Pfanne auf einem eisernen Gestell, dem Dreifuß, abgesetzt. Wegen der Finsternis in der Küche habe man kaum die Kücheneinrichtung und die Köchin nur bei angefachtem Herdfeuer gesehen. Im Erdgeschoß befand sich auch die Schlafkammer der beiden Brüder, mit einem kleinen Fenster so nahe am nächsten Haus, dass nie ein Sonnenstrahl eindringen konnte. Der Boden war mit einem Steinpflaster ausgelegt, auf dem auch Fischereigeräte wie Netze, Stangen und anderes lagerten. Das Obergeschoß beherbergte ein „hübsches“ helles Dachstübchen, „die Obere Stube“ und unmittelbar daneben hatte man das Heu mit dem Futterstroh für die Kühe untergebracht.
Der Fischerjahrtag
Die Jahrtage der Handwerke, zu denen die Viermeister, auch Obermeister, die Einladungen an die Mitglieder aussprachen, fanden in der so genannten Herberge in einer der vielen Gastwirtschaften Vilsbiburgs statt. Vor den versammelten Zunftmitgliedern wurde die Handwerkslade aufgeschlossen, „vor offener Lade“ begann ein förmlicher Hoheitsakt. Nach dem Verlesen des Jahresprotokolls wurden neue Lehrlinge ins Handwerk aufgenommen, die Gesellen freigesprochen und die Jungmeister nach abgelegter Meisterprüfung verpflichtet. Wichtiger Bestandteil der Zusammenkunft war das Einkassieren der Mitgliedsbeiträge, dem „Handwerksschilling“ sowie das Aussprechen von Handwerksstrafen. Der Kirchgang mit anschließendem Mahl war obligatorisch.
Schermer beschreibt den Ablauf des alljährlich von den Dürr-Geschwistern besuchten Vilsbiburger Fischerjahrtags. Danach sei es sehr nobel her gegangen. Mit den besten Kleidern angetan begab man sich vormittags „unter Musikschall“ zur Kirche, um sich danach zum Festmahl in die Brauerei Winkler (heute Gebäude der Sparkasse) zu begeben. Hernach zogen sie mit der Festgesellschaft und mit Musikbegleitung zum so genannten Winklerkeller an der Bergstraße zum Tanz. Maria Dürr verteilte inzwischen zu Hause unentgeltlich „gesottene Krebse“.
Mit dem Tod der letzten Dürr-Schwester Monika am 8. Mai 1906 war das letzte Mitglied aus der Fischer-Dynastie ohne Nachkommen gestorben. Nachdem auch das Fischeranwesen der Spitzhacke zum Opfer gefallen war, verblassten schnell die Erinnerungen an diese einst so bekannte und geschätzte Familie.