Drei Rokokokirchen als Gesamtkunstwerk
Drei Rokokokirchen als Gesamtkunstwerk Museum in Thal als Kontrastprogramm und gelungene Abrundung der Heimatfahrt.
Vilsbiburg. Natürlich kann man jederzeit eine Kirche besichtigen, sich an deren Architektur, Schnitzereien und Stuekaturen erfreuen. Das wäre eine Möglichkeit. die auch meist nicht sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Die andere ist, sich in die Obhut einer versierten Führerin zu begeben, wie sie der Heimatverein hei seiner Exkursion ins Erdinger Land zu finden wusste. Da sitzt man schon eine Stunde in dem von überschäumendem Rokoko geprägten Gotteshaus und erkennt plötzlich Dinge, die man beim flüchtigen Kundgang glatt übersehen hätte, besonders wenn eine Expertin wie Carmen Reinstädler die Aulgabe übernommen hat, drei Rokokokirchen in ihrem direkten künstlerischen Zusammenhang darzustellen. Am Beginn steht HÖrgersdorf, wo die Expositurkirche Sankt Bartho-lomäus malerisch auf einer kleinen Anhöhe gelegen ist. Hier ist schon im 14. Jahrhundert ein Gotteshaus erwähnt, wohl in gotischem Stil erbaut. Wie auch in Eschlbach wird die Kirche in der Zeit des Hochbarock umgestaltet. Diese Ausstattung hat jedoch nicht lange Bestand; denn im Jahr 1745 zieht der in Alt fraunhofen geborene Max Ludwig Dapsal als Pfarrherr auf. Der hochgebildete und allem Neuen aufgeschlossene Geistliche holt Künstler wie don Landshuter Christian Jor-han ins Erdinger Holzland und gestaltet die Andachtsorte in Hörgers-dorf und Eschlbach in den damals modernen Stil des Spätbarocks um. In der letzten Phase seines 42-jährigen Wirkens entsteht in Oppolding ein Neubau des Rokoko.
Natürlich fallen einem beim Betreten der Kirche in Hörgersdorf sofort der dreiteilige, durch marmorierte Säulen sowie ein geschwunge-. nes Gebälk konstruierte Hochaltar von Mathias Fackler und die vortrefflichen Skulpturen von Christian Jorhan auf. Im nächsten Moment wird das Auge von der spätgotischen Marienfigur auf dem linken Scitenaltar angezogen, die von kleinen Engeln aus Jorhans Werkstatt umflogen wird.
Aber wer findet ohne näheren Hinweis gegenüber innerhalb des prachtvoll imitierten Marmors ganz klein das israelitische Zeltlager am Berg Sinai, mit der lichten Wolke als gegenwärtigen Gottes darüber? Oder wer vermutet fast ein wenig versteckt das Allerheiligste des Tempels in Jerusalem mit der Bun
deslade und dem zerrissenen Vorhang? Selbst scheinbar inhaltsfreie Ornamente bekommen nach den Hinweisen von Carmen Reinstädler plötzlich ihren Sinn in der Gesamtkomposition. Ebenso ist es in der Pfarrkirche-von Eschlbach, wo der Hochaltar als baldachinartiges Ro-caillegebilde an der Rückwand schwebt und ein Tabernakelaltar mit zehn, in „freiem Durcheinander" angeordneten salomonischen Säulen davor steht. Hier wird die Asymmetrie des Rokoko auf die Spitze getrieben.
Die Endphase dieser relativ kurzen Stilrichtung atmet die Filialkirche in Oppolding. Pfarrer Dapsal hat in seinem Testament beklagt er habe nicht mehr alles so vollenden können, wie von ihm geplant. In der Tat wirft im Hochaltar schon der Klassizismus seine Schatten voraus. Die Kanzel stößt noch einmal alles Geordnete für einen großen Schlusspunkt des Aufschäumens von Stuck über Bord. Und doch wirkt das Kunstwerk irgendwie unfertig; es steht am Ende des 18. Jahrhunderts bereits die Säkularisation vor der Tür.
Wie Baustile oft trefflich zusammenpassen: In Hörgersdorf hat Christian Jorhan eine gotische Madonna aus der Vorgängerkirche in den Seitenaltar integriert.
Nach einer erholsamen Kaffeepause bot die von Franz Grotzinger geleitete Fahrt ein totales Kontrastprogramm.
In Thal, unweit von Taufkirchen, haben die Oldtimerfreunde Kirchberg in einem gewaltigen ehrenamtlichen Kraftakt einen denkmalgeschützten Bauernhof, der anderswo wegen Baufälligkeit abgebrochen werden musste, detailgetreu rekonstruiert. In der Mitte des Hofes stehen ein staatlicher Taubenkobel und darunter ein historischer Wassergrand aus dem 16. Jahrhundert. Relativ neu sind der 7 Meter hohe Windbrunnen und ein Widder, der ohne fremde Energie das Wasser in erstaunliche Höhen pumpt. Im nahen Irlach wurde ein Backofen abgetragen und funktionsfähig wieder aufgebaut und gerade ist man dabei, aus original nachgeformten Steinen eine gotische Kapelle zu errichten. Im Inneren beherbergen die Gebäude interessante Ausstellungen.
Ein Museum in dem alles wächst: Restaunen löste der schöne Bauerngarten in Thal aus.
Insgesamt ist es dem Heimatverein wieder einmal gelungen, eine Exkursion anzubieten, bei der auch versteckte Kostbarkeiten sichtbar gemacht werden. Ein in kurzer Zeit ausverkaufter Bus beweist die Beliebtheit dieser Art von Heimatkunde und viele Teilnehmer kündigten an, im nächsten Jahr bestimmt wieder dabei sein zu wollen.
Peter Barteit
Aus der Vilsbuburger Zeitung vom 21. Oktober 2009