Der Meister des Biedermeier war in Vilsbiburg.
Carl Spitzweg, langjähriger Freund von Eduard Schleich, besuchte die Spitalkirche.

Das Original ist im Besitz der Benedikt-Auer-Stiftung. Eine Kopie dieser Zeichnung von Carl Spitzweg ist an den üblichen Öffnungszeiten des Heimatmuseums in der Spitalkirche zu sehen.
 
 
 

In Windeseile huscht der Bleistift über den Skizzenblock und bannt Landshuter Gotik in ihrer Vollendung aufs Papier. Das linke Maßwerk der Empore ist noch detailgetreu ausgeführt, ebenso der Beginn des Spitzbogens darunter. Diagonal nach rechts unten werden die Einzelheiten nur angedeutet. Möglicherweise drängt ein ungeduldiger Begleiter zur Eile oder der Zeichner setzt sich selbst unter Zeitdruck. Noch ein paar Striche, schon hat man das Gotteshaus wieder verlassen und steht auf dem saalartigen Marktplatz.

 

So ungefähr kann man sich die Szene am 8. September 1839 vorstellen, als der Meister des Biedermeier eine Stippvisite in der kleinen, intimen Kapelle macht. Und weil der Künstler zur Gewissenhaftigkeit erzogen wurde, versieht er auch dieses Fragment mit seinem Namen und der Signatur, einer liegenden, einem großen „S“ umschlungen Raute. Zu erforschen wäre allerdings noch, was den Maler aus München in den kleinen Marktflecken geführt hat. War er nur auf der Durchreise oder stattete er irgendjemandem in Vilsbiburg einen Besuch ab? War er allein unterwegs oder in Begleitung? Unwillkürlich denkt man da natürlich an den Landschaftsmaler Eduard Schleich aus Haarbach. Doch diesen wird Spitzweg erst fünf Jahre später kennenlernen.

 

 

Aus guter Familie

 

Vor genau 200 Jahren, im Februar 1808 wird er in eine großbürgerliche Münchner Familie hineingeboren. Seine Eltern betreiben in der Neuhauser Straße ein Unternehmen mit dem etwas sperrigen Firmenschild „Tuch-, Wollen-, Baumwollen-, Seiden- und Spezereiwaren, Kommission und Spedition“. Vater Simon Spitzweg ist im gesellschaftlichen Leben der Haupt- und Residenzstadt eine feste Größe. Er bekleidet das Amt eines Vorstehers des Gemeindekollegiums und ist Abgeordneter des Bayerischen Landtags. Die starke ökonomische Ausrichtung des Vaters lässt den künstlerischen Ambitionen seines Zweitgeborenen keinen Raum. Allenfalls die Mutter fördert Carls Begabung insgeheim. Der Patriarch hat bereits beschlossen: Simon, der älteste Sohn, übernimmt das Geschäft, Carl wird Apotheker und dessen drei Jahre jüngerer Bruder Eduard studiert Medizin. Wobei der geschäftstüchtige Vater im Hinterkopf hat, wie ideal sich Letztere bei ihrer Berufsausübung einmal ergänzen können.

 

 

Spitzweg wird Apotheker

 

Nachdem Widerspruch sinnlos erscheint, tritt Carl mit 12 Jahren in das Münchner Wirtschaftsgymnasium ein und beginnt fünf Jahre später in der Königlichen Hof- und Leibapotheke seine Ausbildung als Lehrling. Im Jahr 1829 geht er nach Straubing und verdingt sich in der dortigen Löwenapotheke als Gehilfe. Die dortigen beruflichen Enttäuschungen, gleicht er eine künstlerische Tätigkeit beim „Liebhabertheater“ in der Gäubodenmetropole aus. Das anschließende  Studium der Pharmazie in München schließt Spitzweg 1832 mit einem glatten Einser ab. Doch nun hat er erst einmal genug von Pillen und Salben und unternimmt eine ausgedehnte Italien-Reise. Nach der Rückkehr bezieht Spitzweg eine eigene Wohnung in der Dienerstraße und fasst während eines Kuraufenthalts den endgültigen Entschluss, Künstler zu werden.

 

 

Spitzweg der Autodidakt

 

Dabei verzichtet Spitzweg allerdings bewusst auf einen Besuch der Münchner Akademie. Die erscheint ihm unter dem schwierigen Direktor Peter von Cornelius als zu konservativ. Stattdessen sucht der junge Maler die Gesellschaft von Kunstjüngern, die dem erstarrten Akademiebetrieb den Rücken gekehrt hatten oder denen dort die Tür gewiesen wurde – wie beispielsweise Eduard Schleich. Im Jahr 1844 lernt Spitzweg den niederbayerischen Adelsspross kennen. Es ist der Beginn einer ausgedehnten Phase gemeinsamer Malreisen und einer lebenslangen Freundschaft. In den nächsten 13 Jahren besuchen sie die bayerischen Alpen, den Chiemsee, Tirol, Triest, Venedig und die renommierte Künstlerkolonie von Barbizon bei Paris, wo sie die moderne Form der realistischen Landschaftsmalerei studieren. Weitere Ziele sind Leipzig, Dresden, Berlin und immer wieder die Galerie im Schloss von Pommersfelden. Sie kommen auch nach Belgien, Holland und England. Interessant ist der Auszug aus einem Brief, den Spitzweg im August 1851 aus London an seinen Bruder Eduard richtet: „… Schleich hatte ungeheure Manschetten vor dem Seefahren und that sehr ernsthaft und einsilbig. Doch es lief alles gut ab… Nach einem derben englischen Frühstück wagten wir uns endlich zu Fuß in die Straßen, und Schleich versicherte mir, wenn er allein hier wäre, so würde er gleich heute Abend wieder abreisen.“

 

Durch die jahrzehntelange Verbindung mit Schleich entwickeln die beiden eine bahnbrechende Art der Landschaftsmalerei mit einer nahezu impressionistischen Freiheit der Naturauffassung. Was der Freund jedoch immer zu vermeiden gewusst hat, wird bis in die Mitte von Spitzwegs Schaffenszeit zu seinem Markenzeichen: die liebenswerte Darstellung des täglichen Lebens im Biedermeier. Für unzählige Beispiele stehen der Bücherwurm, der eingeschlafenene Nachtwächter und der arme Poet, eine Satire auf die Mittellosigkeit vieler Künstler. Die erzählerischen Züge in Spitzwegs Werken treten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mehr und mehr zurück. Mit dem armen Poeten, dem wohl bekanntesten seiner Kreationen erlebt Carl gerade im Jahr seines Besuches in Vilsbiburg eine herbe Enttäuschung. Die Jury des Münchner Kunstvereins kann sich 1839 nicht entschließen, das Bild für einen Wettbewerb anzunehmen.

 

 

Die Geisel der Cholera

 

Vielleicht liegt die Ursache seiner Reise ins beschauliche Niederbayern auch in einer Cholera-Epidemie, von der München wiederholt heimgesucht wurde. Spitzweg hat gegen die Ansteckung eine wirksame Überlebensstrategie entwickelt: Er flieht vor der Seuche. Im Winter 1873/74 wird die Hauptstadt heftiger als je von der Krankheit heimgesucht. Spitzweg zieht sich rechzeitig nach Tirol zurück und ermahnt seinen Weggefährten Eduard Schleich eindringlich, München zu verlassen. Doch dieser bekommt zu dieser Zeit gerade einen hohen Orden und bleibt. Prompt wird Schleich infiziert und stirbt am 9. Januar 1874 im Alter von nur 61 Jahren. Carl überlebt seinen Freund um elf Jahre. Gerade in dieser Zeit finden seine Arbeiten endlich die verdiente Anerkennung. Nicht über Schleichs Auszeichnung (das hätte sich der liebenswürdige Zeitgenosse nie erlaubt) sondern über seinen eigenen Michaelsorden hat Spitzweg 1865 ein Spottgedicht verfasst, das ihn auch als scharfsinnigen Dichter zeigt:
Wenn einer einen Orden kriegt,
Bei uns ist’s so der Brauch,
Sagt jeder grad zu ihm ins G’sicht:
„Verdient hätt‘ ich ihn auch!“
Wahrhaft erfreulich ist dies schon,
Es gibt ein treues Bild!
Wie hoch muss stehen die Nation,
Wo jeder sich so fühlt!
Peter Barteit
 

Seltene Secco-Malerei in der Vilsbiburger Spitalkirche
Es war eine kleine Sensation was der Restaurator an der inneren Kirchenwand der Vilsbiburger Spitalkirche freilegte: 15 einzelne Zeichen – aber für was? Dem Weltuntergang nah? Vorboten der Apokalypse?
Der Kirchenvater St. Hieronymus beschreibt um das Jahr 400 n. Chr. die „15 Vorzeichen“, wobei die Abfolge „Erster bis 15. Tag“ keine strenge zeitliche Definition darstellt.
Der Inhalt der Wandmalerei bringt zum Ausdruck, wie den Menschen des ausgehenden Mittelalters, die zum größten Teil des Lesens und Schreibens unkundig waren, die Ankündigung des Weltengerichts visuell näher gebracht wurde.
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Die Ausgrabungen in der Lerchenstraße waren hier erst am Anfang. Das Haus gehört der Familie Peter Forster, südlich der Grabungsfläche wird heute ein Neubau errichtet. BLfD, Foto: O. Braasch, Archiv-Nr. 7540/012, SW 4359-22, vom 15. 5. 1987. Freigegeben: GS 300/8707-81.
Wenn ein Vilsbiburger glaubt, seine Stadt bestehe gerade erst einmal seit circa einem Jahrtausend, so irrt er. Schon in der Jungsteinzeit, die immerhin etwa 7000 Jahre alt ist, gab es in der Lerchenstraße eine Siedlung, von der in den Jahren 1979 bis 1987 immer wieder Teilflächen ausgegraben wurden.
Auf dem Foto erkennt man die Ausgrabungen mit den ersten Flächen in der Lerchenstraße und den Arbeitern. Die dunklen Strukturen weisen auf weitere Befunde hin, die untersucht werden mußten. Durch Funde von Keramik und Feuersteinen konnten die Gruben datiert werden.

Jäger und Sammler wurden zu Bauern

Die ältesten Spuren stammen aus der späteren Linearbandkeramik um ca. 5200 v. Chr. In dieser Zeit entwickelten sich die Jäger und Sammler zu Bauern. Dazu gehörten die Herstellung von Tongefäßen, die nicht nur gebrannt wurden und damit fast wasserdicht waren, sondern auch mit gebogenen Linien und dazu passenden Einstichen verziert waren. Die feine Keramik war sehr dünnwandig und sehr hart gebrannt. Zusätzlich haben die Menschen in dieser Zeit schon sehr diffizile Werkzeuge angefertigt, z.B. sog. „Schuhleistenkeile“, Dechseln, die mit ihrer speziellen Form zur Holzbearbeitung ideal waren. Auch Ackerbau und Viehwirtschaft wurde betrieben, d.h. Schafe und Rinder wurden gehalten, aber noch nicht gezüchtet.

Immer wieder neue Kulturgruppen

Nach Aufgabe der Siedlung kamen etwa 400 Jahre später die Leute der Stichbandkeramik, die als Neuerung statt der Linienverzierung (daher der Name Linearbandkeramik) auf den Gefäßen sehr kleine Einstiche vorzogen, oft noch in der alten Formgebung der Linearbandkeramik.

Gleich darauf wohnten hier Angehörige der Gruppe Oberlauterbach, die auf der Keramik längliche Einstichen statt der kleinen Punkte vorzogen. Auch diese Siedlung wurde aus unbekannten Gründen irgendwann aufgegeben. Da es sich aber um einen sehr günstigen Platz für ein Dorf handelte – Wasser befand sich in der Nähe und der Boden war geeignet zum Beackern – kamen wiederum Menschen, diesmal soche, die der Münchshöfener Kultur zuzuordnen sind (ca. 4200 v. Chr.). Deren Keramik zeigte mit sehr hohen und zugleich hohlen Fußgefäßen ganz andere Formen. Deren Verzierungen ergaben ein vollständig das Gefäß bedeckendes Muster.

Die Vertreter der Altheimer Gruppe bildeten hier eine letzte Siedlung um 3600 v. Chr., von der allerdings nur noch Reste in zwei Gruben bestanden. Die Altheimer bevorzugten grobe und vergleichsweise unschöne, wenig verzierte Keramik.

Viele Kulturnamen aus Niederbayern

Vermutlich kennen viele Leser die Orte, nach denen diese Kulturgruppen benannt wurden. Der Name wird meist nach dem Fundplatz vergeben, wo diese Gruppen als erstes auftauchen. Da hier in Niederbayern die Jungsteinzeit sehr häufig vertreten ist, liegt es nahe, daß nach niederbayerischen Orten diese Zeitspannen benannt werden (Oberlauterbach, Altheim, Münchshöfen, Wallerfing usw.). Selbst in der Bronzezeit finden sich solche Beispiele mit der Straubinger Kultur oder der Stufe Jellenkofen.

Es wurden insgesamt etwa elf Häuser aus den unterschiedlichen Siedlungsphasen entdeckt, jedoch fand sich von keinem der vollständige Hausgrundriss. Vermutlich wurde zur Zeit der Stichbandkeramik um die Häuser ein unten spitz zulaufender Graben mit Palisaden gebaut, der zwar nur auf einer Länge von fünf Metern erhalten war, aber bestimmt der Sicherheit des Dorfes diente.

Durch den Fund verschiedener Feuersteine, die aus dem Feuersteinbergwerk bei Arnhofen bei Abensberg stammen, ist ein Handel in Richtung Norden gesichert. Allerdings ist unklar, was die alten Vilsbiburger anzubieten hatten. Vielleicht tauschten sie Einkorn und Emmer sowie Linsen und Leinsamen, deren Anbau nachgewiesen werden konnte.

Ein Leben wie vor hundert Jahren

Man darf sich die Menschen dieser Zeit getrost genauso wie einen heutigen Menschen vorstellen, nur mit einem anderen Glauben und anderen Kleidern. Aber im Prinzip hat sich zu dem Leben, das in einer bäuerlichen Gemeinschaft noch vor hundert Jahren geführt wurde, nicht viel geändert. Eine Familie lebte zusammen in einem Haus, daran anschließend befand sich der Stall für das Vieh. Das Haus bestand aus Holz, zwischen den Balken waren Flechtwände aus Ästen, die mit einem Lehm-Stroh-Gemisch beworfen wurden. Es gab in jedem Haus eine Feuerstelle, zusätzlich dazu einen größeren Ofen außerhalb der Häuser für das Brennen von Keramik für das ganze Dorf. Oft waren die Häuser von einem Zaun für das Vieh umgeben. Das Essen bestand neben Fleisch auch aus Emmer und Einkorn sowie Linen und Leinsamen. Natürlich wurden damals wie heute Beeren, Nüsse und Pilze zur Anreicherung der Nahrung gesammelt.

Aus den Ergebnissen einer Ausgrabung können viele Erkenntnisse der jeweiligen Zeit gewonnen werden, so sollten diese Untersuchungen unserer Geschichte einen höheren Stellenwert erhalten.

Dr.Cornelia Renner

Vor genau 200 Jahren stand die Kuppel der Stadtpfarrkirche nach einem Blitzeinschlag in Flammen. Die Frage ist, wie würde man heute reagieren, wenn auf einmal aus der Kuppel Flammen schlagen würden. Der Brandherd wäre in etwa 70 Metern Höhe. Die Abmessungen der Kuppel welche ganz aus Holz gefertigt und mit Kupferblech ummantelt ist, sind 14 Metern in der Breite und 18 Meter in der Höhe. Herab fallende brennende Teile wären sicherlich eine große Gefahr für die umliegenden Häuser, welche je nach Windrichtung wiederum zu brennen anfangen könnten. Heute würde man von einem Inferno sprechen, was mit einer schrecklichen und gefährlichen Situation einzuschätzen wäre, nachdem vielleicht auch das Dach der Kirche angefangen hat zu brennen.

Die Kirchenrechnungen im Archiv der Pfarrkirche beginnen erst nach dem Dreißigjährigen Krieg im Jahr 1657. Hier sind auch Aufzeichnungen von der großen Vilsbiburger Feuersbrunst des Jahres 1656. Vilsbiburger Bürger haben damals vom Kirchenvermögen Geld aufgenommen „wegen erlittenen Prunstschaden“.

Die Bauausführung vom gotischen Spitzhelm zur heutigen Zwiebelkuppel der Pfarrkirche ist in den Kirchenrechnungen nicht zu finden, er dürfte aber in die Zeit um 1625/30 fallen. 1671 hat ein starker Wind das Kirchendach aufgerissen. Der Turm wurde 1673 neu verputzt und 1677 werden die Holzschindel der Kuppel ab dem gemauerten Turm abgetragen. Die Kuppel wird mit 24 000 Holzschindel neu eingedeckt, welche zuvor mit roter Farbe gestrichen wurden, letztendlich wird ein Blech mit der Jahreszahl 1677 auf die Kuppel genagelt, der Knopf und das Kreuz werden vergoldet. 1681/82 wird von einer großen Sanierung des Turmes mittels Holzgerüst berichtet. Der Blitz hat 1685 in den Turm eingeschlagen, die Kuppel wurde ausgebessert und das Kreuz wieder aufgesetzt. Aber schon im August 1689 hat der Blitz wiederum in den Turm geschlagen, bis zur Orgel herab, wobei ein Teil der Orgel „völlig zerschlagen“ wurde. Gleiches geschieht auch im Juni 1693, hierbei mussten sogar zinnerne Pfeifen der Orgel neu gegossen werden. 1701 ist der obere Teil der Kuppel völlig morsch, 5000 Holzschindel werden ausgewechselt. Am 10. Mai 1742 hat „ein Thonnerwetter die halbe Kirchthurmkuppel herabgeschlagen“, die Helmstandenhalterung war herabgesprengt und die seitliche Mauer ruiniert, auch im Kirchendach waren Löcher. Dies wiederholte sich auch fünf Jahre später. Eine umfangreiche Reparatur der Kuppel war 1791, das Holz-Kuppeldach wurde neu eingedeckt.

Von einem Brand der Kuppel durch Blitzeinschlag war in den Kirchenrechnungen aber nichts niedergeschrieben, bis zum 13. April des Jahres 1807.

In den Niederbayerischen Heimatblättern[1] wird über den Blitzeinschlag vor 200 Jahren berichtet: „Ein Blitzstrahl am 13. April 1807 nachmittags zwischen fünf und sechs Uhr, setzte die Kuppel des Vilsbiburger Pfarrkirchenturmes in Brand, ohne dass die Bevölkerung das Einschlagen des Blitzes bemerkt hatte. Erst als nach einer halben Stunde das Feuer aus der Kuppelspitze herausschlug und brennende Schindel auf das Kirchendach und die benachbarten Häuser fielen, machte man gleich einen Feuerlärm. Nach einer weiteren halben Stunde war die Gefahr beseitigt. Die Helmstange und die oberen Teile der Kuppel waren zu einem Drittel verbrannt. Um mit Löschgeräten zum Feuer gelangen zu können, musste man den unteren Teil der Kuppel durchbrechen. Der ganze Kirchturm und Dachung sind mit 2000 Gulden versichert. Die tatsächlichen Schäden wurden auf 422 Gulden geschätzt.“

Im Staatsarchiv Landshut befindet sich unter der Signatur: Landgericht ältere Ordnung, Biburg, Nummer 127, ein Schriftverkehr über den Blitzeinschlag am Vilsbiburger Kirchturm im Jahr 1807. Zum Turmbrand berichtete der damalige Landrichter Freiherr von Pechmann: „Der Blitz fuhr den ganzen Turm herunter und verlor sich unwissend irgendwo, so heißt es in dem Schätzungsprotokoll. Zimmererleute zeigten sich als die Mutigsten und durchbrachen unterhalb der zündelnden Flammen die Turmkuppel. Die Schätzung nahmen der Vilsbiburger Zimmermeister Michael Pachmaier, Georg Strohhofer Zimmermeister von Langquart, und der Maurermeister Lorenz Maier vor. Notwendig war eine neue Helmstange aus Eichenholz. Sechs Schuh hoch (ein Schuh misst ca. 30 cm) musste die Kuppel mit neuen, 4.000 Stück Scharschindeln (= Holzschindel) gedeckt werden, das Tausend zu 6 Gulden. Diese Schindeln wurden mit Leinöl getränkt und dann rot gestrichen. Das Teuerste bei der Reparatur war das Holzgerüst mit 140 Gulden. Da man beim Löschen des Brandes die ledernen Wasserkübel auf das Kirchdach herunterwarf, wurde auch dieses beschädigt. Die Brand-Assekuranz-Kommission wollte an der Versicherungssumme Abzüge machen, aber der Landrichter erbat wenigstens den Ersatz für den dritten Teil der Kuppel, welche insgesamt 60 Schuh hoch (ca. 18 Meter) und ganz von Holz erbaut war. 166 Gulden wurden schließlich gezahlt.“

Nun waren natürlich die wagemutigen Zimmererleute gefragt, welche die Kuppel wieder aufbauen und eindecken mussten. Um eine Vorstellung vom verwendeten Material zu bekommen kann der Blitzeinschlag von 1742 herangezogen werden, bei welchem aber kein Gerüst gebraucht wurde. Benötigt wurden damals 200 Gebinde Schar- oder Holzschindel, 12 000 Nägel, 60 Pfund rote Farbe, 50 Pfund Leinöl, 2 Pfund „Silber Gleth“, 2 Pfund rote Mennige und 2 Pfund Bleiweiß. Der Zimmermeister mit zwei Gesellen arbeitete 40 Tage. Einen Blitzableiter hatte der Turm zu dieser Zeit noch nicht. Dieser wurde erst im Zuge der erstmaligen Eindeckung der Zwiebel mit Kupferblech im Jahr 1821 installiert.
Eindeckung mit Kupferblech
Unter Pfarrer und Dekan Vital Danzer erhält die Kuppel zum ersten Mal eine Kupferblech-Eindeckung. Die Kirchenrechung von 1820/21 gibt dazu einen guten Überblick der gemachten Arbeiten, aber auch einen geschichtlichen Rückblick: „Die Pfarrkirchen Turmkuppel war so baufällig, dass man es für höchst notwendig befunden hat, selbe neu einzudecken. Nachdem aber seit 144 Jahren selbe 3-mal neu gedeckt und 3-mal ausgebessert wurde, so dass alle 50 Jahre eine neue Eindeckung und alle 25 Jahre eine Ausbesserung trifft, so wurde beschlossen, selbige nun mit Kupfer eindecken zu lassen. Eine Ausbesserung des Kuppeldachstuhles wurde vorgenommen, ein neuer Boden und ein Steg kamen in die Kuppel, die Stiege mit Geländer wurde ausgebessert und neue Luftfenster eingesetzt. 1908 Pfund ungeschnittenes Kupfer in 36 Platten wurden bei Georg Buchauer aus Wasserburg eingekauft. Die Blöcke wurden vom Kupferhammermeister Karl Christeiner in Regensburg zu Kupferblech umgearbeitet und in Kisten verpackt. Bei der Umarbeitung verlor das Kupfer 55 Pfund an Gewicht. Joseph Daxenberger, Kupferschmiedemeister aus Neumarkt/Rott, verkauft daher dem Gotteshaus 20 Pfund geschmiedetes Kupfer. Für den Kupfertransport von der Neuöttinger Lände zur dortigen Waage, dann nach Landshut und vier Tage Beaufsichtigung in Regensburg, bekommt Georg Stein, Handelsmann aus Vilsbiburg, 30 Gulden 22 Kreuzer. Georg Graßer erhält am 27. April 1821 für den Transport von 1908 Pfund Kupfer von Landshut nach Regensburg, 1853 Pfund Kupfer retour nach Vilsbiburg, Fuhrlohn mit Waaggeld und Trinkgeld von 35 Gulden 6 Kreuzer. Die Kosten für das Kupfer mit Bearbeitung und Transport beliefen sich auf 2.250 Gulden 49 Kreuzer. Eine Unmenge an Latten, Falzbrettern, Stammholz und Gerüsthölzer mussten geschnitten, gehauen und transportiert werden. Der Schmied Thomas Lammer macht 58 Gerüst- und 2 Abbrechklammern aus 58 Pfund Eisen, weiters Ringe, Hakensteften und Zugbandl. Der Seiler Joseph Hämmerl fertigt 150 Stück Seile und die Kupferschmiedin Anna Stänglin fertigt 7000 Blechnägel, 375 ganze Bodennägel und 250 halbe Bodennägel. Ein Holzgerüst wurde aufgestellt, die Kuppel abgedeckt und neu eingetäfelt. Ein Zimmermeister und 16 Jndividuen (= Arbeiter/Helfer) arbeiten in schwindelnder Höhe. Joseph Daxenberger, Kupferschmied aus Neumarkt/Rott, schlägt die Kuppel mit insgesamt 2474 Pfund Kupferblech ein. Vom 26. April bis 5. Mai 1821 wurden von fünf Zimmerern die Gerüsthölzer gefertigt; vom 7. bis 12. Mai dann der Turm mit acht Mann eingerüstet. Die eigentlichen Arbeiten an der Kuppel mit abdecken, eintafeln und abrüsten dauerten vom 14. Mai bis zum 14. Juli 1821. Die Kuppel wurde mit 16 Gegenhölzern befestigt. Die Ausgaben für den Kupferschmied, Gerüst- und Eindeckholz, 13 Zimmererleute und 3 Handlanger waren 2.755 Gulden 58 Kreuzer. Angerechnet wurde das vorhandene verkaufte Baumaterial 80 Pfund Kupferabschnitt. Von den 24 000 Holzschindel die einmal auf dem Turm waren, konnten nur noch 2150 Stück verkauft werden. Der Maurer musste einen Pfeiler ausbessern und das Gesims des Turmes weißeln. Ein Blitzableiter aus Messingdraht wurde installiert. Für die Zahlung der neuen Dacheindeckung wurde das Geld von verschiedenen Kirchen ausgeliehen: Wippstetten 50 Gulden, Loiching 50 Gulden, Weigendorf 100 Gulden, Münster 100 Gulden, Niklashag 100 Gulden, Loizenkirchen 100 Gulden, die dortige Aller Seelen-Bruderschaft 100 Gulden, Erlach 400 Gulden. Zur Deckung des weiteren Defizits kamen von der Vilsbiburger Corpus-Christi-Bruderschaft 90 Gulden, Filialkirche Maria Hilf 629 Gulden, vom Heilig Geist Spital 567 Gulden, vom Leprosenhaus 345 Gulden.

Schon 1842 war die Überlegung, das beschädigte Kuppeldach mit Weißblech oder Kupfer neu einzudecken. Im Zuge eines Umbaues im Turm und der Beschaffung einer neuen Turmuhr, wurde diese im Februar 1878 nicht mehr im unteren Stockwerk eingebaut, sondern zwischen dem oberen und unteren Glockenstuhl, dort wo heute die Zifferblätter sind. Auch wurde ein drittes äußeres Ziffernblatt am Turm angebracht. In den Jahren 1961/62 wurde die Putzschicht der ehemals ganz verputzen Pfarrkirche abgenommen. Seitdem zeigt das spätgotische Bauwerk wieder sein ursprüngliches Gesicht mit dem Blankziegelmauerwerk. Die Kuppel wurde mit Kupferblech teils neu gedeckt – die Kugeleinschüsse wurden verlötet.

Der Turm mit seinen 73 Metern Höhe ist immer extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt, auch Blitzeinschläge sind möglich. Im Sommer 2003 brachte ein Blitzeinschlag die Elektronik der Glockensteuerung zum Erliegen.

Peter Käser

Reger Handel prägte mehr als hundert Jahre an jedem Samstag das Ortsbild

 
Es war sehr übersichtlich geworden auf den traditionsreichen Handelsplatz zwischen der Mayerschen Apotheke und dem Elektrogeschäft Hammer. Nur wenige Bauern kamen noch mit ihren jungen Schweinen nach Vilsbiburg. Sie vermarkteten ihre Tiere lieber ab Hof und so konnten auch die Viehhändler keine Geschäftsgrundlage für sich mehr erkennen. Die Stadtväter zeigten sich angesichts des Niedergangs besorgt und als Bürgermeister Josef Billinger am 7. Februar 1974 das Thema auf die Tagesordnung setzte, dachte man sich für den seit mindestens 1856 nachweisbaren Ferkelmarkt eine hinhaltende Vorgehensweise aus.

 

Bedauert wurde diese Entwicklung vom Gremium zwar schon, gehöre doch der Markt seit Jahrhunderten zum Stadtbild. Man werde künftig auf die Erhebung von Gebühren und die Erstellung von Marktberichten zu verzichten. „Durch dieses passive Verhalten soll der Markt quasi eingeschläfert werden.“ So liest sich der für  die Formulierungskünste des damaligen Geschäftsleiters Karl Fromberger typische Eintrag im Protokollbuch. Im November beschäftigte sich das Gremium erneut mit der Thematik. Die Einschläferungs-Strategie hatte Wirkung gezeigt; denn seit Mai dieses Jahres seien kaum noch Ferkel angefahren worden. Davon leitete der Stadtrat mangelndes Interesse an dem Markt ab und beschloss, ihn Ende des Jahres einzustellen.

 

Wie war das gut zwei Jahrzehnte vorher noch anders! Im Jahr 1949 ging es den Verbrauchern, anders als heute, keineswegs um die Vermeidung von Kalorien im täglichen Nahrungsangebot. Da lobte der Vilsbiburger Anzeiger die Bedeutung der sprunghaften Erhöhung des Schweinebestandes nach dem Krieg. Einen wesentlichen Anteil an dieser für die Ernährung der Bevölkerung wichtigen Entwicklung leisteten die Viehmärkte. „Rückblickend darf man wohl behaupten, dass Bauer und Züchter gemeinsam mit dem Händler die katastrophalen Versorgungszustände der ersten Nachkriegsjahre schneller überwunden hat, als man zu hoffen wagte“, stellt das Blatt zusammenfassend fest.

 

Die ordnende Hand von Michael Wippenbeck

 

Über die etwas formale Betrachtungsweise des Presseberichtes hinaus brachte der Vilsbiburger Ferkelmarkt Samstag für Samstag pralles Landleben mitten in die Stadt. Die Bauern aus dem Vilsbiburger Land kamen mit Pferdefuhrwerken oder Motorradanhängern, die fortschrittlicheren auch mit Bulldog oder VW-Käfer und stellten ihre Erzeugnisse zur Schau. Unumschränkter Herrscher über das Geschehen war Gemeindediener Michael Wippenbeck. Er kassierte die Marktgebühr von 50 Pfennigen pro Stück, die auch das Entgelt für die Viehbeschau enthielt. Daher kam er auch immer in Begleitung des Amtstierarztes. Um sich das lästige Zählen der Jungtiere zu ersparen, fragte Wippenbeck den jeweiligen Landmann, wie viele Ferkel er dabei habe. Gestimmt habe die genannte Zahl nie, erinnert sich sein Enkel Johann Allertseder. Aber war die Abweichung nicht zu gravierend, wurde es geduldet.

 

Denn es gab zuweilen entschieden größeres Konfliktpotential auf dem Ferkelmarkt. Einige Schlauberger unter den Viehhändlern erwarteten die eintreffenden Bauern bereits an der Vilsbrücke und lotsten sie in das Löchl, um dort unter Ausschaltung der Obrigkeit ihre Geschäfte abzuwickeln. Diese Praktiken waren vom Gemeindediener unverzüglich zu unterbinden. Natürlich waren auch seriöse Kaufleute auf dem Platz zu finden. Der legendären Außermeier Otto gehörte dazu, ebenso wie Josef Michalski, Hans und Fred Holzner und Josef Seisenberger. Und dann gab es noch die so genannten Schmuser, wie der Danner Mich einer war. Sie beobachteten intensiv die Szenerie und versorgten die Viehhändler gegen ein kleines Entgelt, den „Schmus“ mit wertvollen Tipps. Doch dabei war Vorsicht geboten. Unsichtbar lag über dem Markt ein fein abgestimmtes Netz von Reviergrenzen. Und wenn ein Schmuser dem anderen „ins Gäu“ ging, konnte er sich schon einmal eine saftige Watschn einhandeln. Gelegentlich mussten sogar die Beamten der Stadtpolizei ihre Wache im Rathaus verlassen, um die Streithähne amtlicherseits zu besänftigen.                                       

 

Treffpunkt von Stadt und Land

 

Doch alle Aufgeregtheiten waren vergessen, wenn es um das leibliche Wohl ging. Dafür sorgte während des Marktes der Schlecht Sepp mit seinem Wurstkessel, den er in der Metzgerei Stammler mit heißen Weißen und Wienern füllte. Er versorgte übrigens auch die Beamten und Angestellten in den Behörden der Kreisstadt, die Anfang der 1950er Jahre am Samstagvormittag noch in ihren Büros anwesend zu sein hatten. Und auch nach Marktende eilte niemand mit hektischer Geschäftigkeit nach Hause. Die Bauern hatten mit 25 bis 30 Mark pro Ferkel gut verdient, die Händler immer noch Geld übrig, andere ihren Schmus oder ein wenig Schwanzlgeld in der Tasche. Genug auf jeden Fall für eine Maß (oder auch mehrere) in den Gasthöfen am Platze, beim Stammler, beim Haslbeck und beim Bräu oder auch in den kleineren Wirtschaften, wie beim Wackerlwirt oder beim Vogel in der Kirchstraße, von wo der kleine Hans seinen Opa zuweilen abholen musste, wenn er beim Kartenspiel aufs Heimgehen vergessen hatte.

 

Der Ferkelmarkt  war über das reine Handelsgeschehen hinaus Treffpunkt und Informationsbörse im weitesten Sinn. Er zog er auch Leute an, die weder einen Läufer oder ein Spanferkel zu verkaufen hatten, noch vorhatten, solche Tiere zu erwerben. Sondern einfach nur Neuigkeiten erfahren wollten. So manch anderes Geschäft wurde am Vilsbiburger Stadtplatz eingefädelt. Und wenn eine Hochzeiterin gesucht wurde, wusste sicher irgendwer, wo eine solche zu finden und wie viel Geld sie mitzubringen in der Lage war. Den Ferkelmarkt hatte man zu besuchen, lautete für verschiedene Bevölkerungskreise ein ungeschriebenes Gesetz. Einer der Beteiligten erzählt noch heute, dass sich in seiner Familie ausgerechnet an einem Samstag Nachwuchs eingestellt hatte. Über die Prioritäten gab es keinerlei Diskussion: Erst ging man auf den Markt und dann zur Frau ans Wochenbett.
Peter Barteit
 

Ein lang gehegter Wunsch ging in Erfüllung

Sanierung des über 170 Jahre alten Rückgebäudes hinter dem Museum fand seinen Abschluss.
Das Foto von etwa 1955 zeigt die umfangreichen, allerdings nicht mehr sehr ansehnlichen Verbindungsbauten zwischen dem Spital- und dem Rückgebäude kurz vor dem Abbruch. Der bauliche Zustand dürfte dem vom 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts gleichen.
Vilsbiburg. Das nun sanierte und kürzlich fertig gestellte Rückgebäude hinter dem Heimatmuseum, dem ehemaligen Heilig-Geist-Spital, soll hier im Zusammenhang mit dem Spital in seiner baulichen und geschichtlichen Entwicklung näher betrachtet werden. Die wohl ältesten Bauten Vilsbiburgs stellen die zum historischen Ensemble zählenden Gebäude des ehemaliges Heilig-Geist-Spitals mit der um 1400 als Katharinenkapelle erbauten Kirche sowie des Stadtturms dar. Mit dem 1476 vom gebürtigen Vilsbiburger Kaspar Westendorfer gestifteten „Inneren“ Spital am Marktplatz und dem so genannten Äußeren oder Armen Spital am Oberen Markt (heute Pannermayr), hat dieser eine fast über 500 Jahre alte Tradition der Kranken- und Armenpflege begründet und alten und gebrechlichen Bürgern einen geregelten Lebensabend ermöglicht. In der in lateinischer Sprache abgefassten Stiftungsurkunde bestimmte Westendorfer für das neu erbaute Haus ausdrücklich den Platz bei der Katharinenkapelle, der späteren Spitalkirche.

 

Das Äußere Spital an der Oberen Stadt mit Spitalstadel, Obstgarten und einem weiteren Gebäude diente in erster Linie der ausgeübten Landwirtschaft und damit zur Selbstversorgung der Spitalbewohner. Das Areal hinter dem Spital am Stadtplatz, zwischen Hauptgebäude und dem Rückgebäude, bildete einen kleinen Hof mit Brunnen, der zur Oberen Stadt hin mit der dann 1902 abgebrochenen Ringmauer abschloss.

 

Das Rückgebäude

Die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts erhaltenen Rechnungsbücher des Spitals lassen in dem kleinen Hof hinter dem Hauptgebäude den Bestand eines Gebäudes mit einem Verbindungsbau erkennen, was der Katasterplan des Marktes Vilsbiburg von 1810 bestätigt. 1823/24 waren im Spitalgebäude größere Reparaturen nötig. Dazu fertigte der Vilsbiburger Landgerichtsmaurermeister Anton Wagner, heute mit dem Kreisbaumeister vergleichbar, einen Bestandsplan über das Ensemble Spital, der Kirche und dem Verbindungsbau zu einem schon bestehenden Rückgebäude. Der Plan lässt durch eine eingezeichnete Bleistiftskizze im Bereich des Rückgebäudes erkennen, dass an einen Abbruch des bestehenden Gebäudes mit Ersatzbau gedacht war. Dieser Bau beherbergte bis dahin in einem überwölbten feuersicheren Raum des Erdgeschoßes die Registratur, also das Archiv des Heilig-Geist-Spitals. Der erste Stock war für ein Krankenzimmer sowie einem weiteren Wohnraum bestimmt. Die Versorgung dieses Traktes war durch einen gemauerten Verbindungsbau gewährleistet, dem man im Obergeschoß eine hölzerne Altane vorgebaut hatte. Laut Plan umlief so eine geschlossene Altane die gesamte Rückseite der Spitalkirche und des Spitalgebäudes, setzte sich in westlicher Richtung zum Rückgebäude an der hohen Mauer fort und war im Erdgeschoß über eine Treppe, im Obergeschoß durch eine Türe an der Rückwand des Spitals erreichbar.

 

Ein weiterer, nicht datierter, wohl zum Zeitpunkt der Spitalsanierung von 1823/24 entstandener Bauplan, sah einen dreigeschossigen Neubau des Rückgebäudes vor, der jedoch nicht zur Ausführung kam. 1835 und 1836 ist in den Rechnungsbüchern des Spitals von einem errichteten „Neugebäude“ oder „hinteren Neugebäude“ mit drei Krankenzimmern die Rede, für das von Gerichtsmaurermeister Anton Wagner Kosten abrechnet worden sind. In seiner Handwerkerrechnung listete er folgende Kosten auf: „…im Waschhaus den Bockstuhl (?) eingericht, die Bögen gemacht, eingericht und das Waschhaus gewölbt“. Matthias Hanecker lieferte zum „Neubau“ des Daches „13 Buschen 650 Pfund 8 Zentner Eisenblech“ (146 Gulden) und der Kupferschmied Alois Daxenberger deckte den „hinteren Teil des Spitals“, also das Rückgebäude, mit Eisenblech ein (74 Gulden). Der Maler Gottfried Seltenhorn hatte dazu das Dach dreimal mit Kupferfarbe (18 Gulden) gestrichen. Zusätzlich wurden noch Kosten für Fußböden und Weißdecken, dann für einen Plattenofen und eine neue Stiege abgerechnet. Das bis dahin bestehende, 1823 im Bauplan noch ersichtliche Gebäude, war also abgebrochen worden. Das nun im Laufe des Jahres 2007 sanierte Gebäude geht somit auf den Neubau von 1836 zurück.

 

Zum ungehinderten Transport der Essensrationen aus der Krankenhausküche für die Spitalinsassen wurde 1858 als Verbindung zwischen dem Rückgebäude sowie dem Krankenhaus an der Oberen Stadt (heute Pannermayr) ein überdachter Gang in hölzerner Ständerbauweise erbaut. Die Küche im Spital wurde daraufhin aufgehoben. Der Verbindungsgang existiert heute lediglich noch als Torso.

 

Nach dem Umzug der Spitalinsassen um 1955 in das ehemalige Krankenhausgebäude an der Oberen Stadt Nr. 8 hatten die bestimmt nicht mehr sehenswerten Verbindungsbauten zwischen Spital und Rückgebäude ausgedient, sie wurden ersatzlos abgebrochen. Das Rückgebäude diente Mitte der 1960er Jahre noch kurzzeitig als Wohnung, stand dann aber bis zur Sanierung 2007 leer. Der desolate Gesamtzustand des Gebäudes, das Dach war undicht und Teile der Umfassungsmauern zeigten starke Rissbildungen, veranlaßte die Stadt Vilsbiburg zur Sanierung des Komplexes. Dabei konnte der vom Denkmalschutz geforderte Bestand des überwölbten Gebäudeteils sowie der Baukörper in seiner bisherigen Gestalt erhalten werden. 

 

Das Rückgebäude wird Depot

Das Thema Depot war für den Heimatverein von je her ein heikles Kapitel, waren doch nicht ausgestellte Objekte an verschiedenen Stellen wie Spitzboden im Museum, im Nachbargebäude Stadtplatz 39, dann im altem Bauhof an der Seyboldsdorfer Straße und im Stadtturm deponiert. Besonders nachteilig wirkte sich dies bei Vorbereitungsarbeiten zu Sonderausstellungen aus, von denen das Museum in den letzten 32 Jahren allein 35 an der Zahl veranstaltete. Dankenswerterweise hat nun die Stadt Vilsbiburg das Rückgebäude nach der Sanierung dem Heimatverein zur Verfügung gestellt und damit die Depotverhältnisse für das Museum nachhaltig verbessert. Im Lauf der nächsten Zeit wird nun das Depot, soweit es die durch die neuen Wandputzflächen verursachte, noch etwas zu hohe Luftfeuchtigkeit zulässt, nach und nach mit ausgelagerten Objekten bestückt. Die mit einer Alarmanlage gesicherten Räume werden künftig aber auch als Arbeitsräume für die Eingangsbearbeitung (Reinigung, Restaurierung) und Inventarisierung sowie fotografischer Erfassung intensiv genutzt. Besonders attraktiv und als Herzstück des Depots gestaltet sich der überwölbte Raum im Erdgeschoß.   
Lambert Grasmann                                                            

Den Handscherm war beim Uiderl bis zuletzt griffbereit
Die Geschichte der Familie Zettl in Bödldorf steht für die letzte Phase der Kröninger Hafnerkeramik.
Das Vilsbiburger Heimatmuseum – Kröninger Hafnermuseum – besitzt die größte Sammlung  Kröninger Hafnerkeramik, deren Grundstock bereits Bartholomäus Spirkner, Pfarrer in Kirchberg (1908-1919) mit einer Schenkung im Jahr 1915 legte. Zum Bestand zählen heute nicht nur die qualitätvollen, in ihren Formen wohl proportionierten und farbenfreudigen Gebrauchsgeschirre und Sonderformen, sondern auch technische Keramik, Ofenkacheln, Model, Arbeitsgeräte und Fotos. Der Kröning, einst das größte Hafnerzentrum Bayerns, ist bei Volkskundlern, Sammlern und Museumsleuten durch zahlreiche Veröffentlichungen längst in das Gesichtsfeld der Öffentlichkeit getreten. Eine Initialzündung dazu erbrachte die 1968 im Bayerischen Nationalmuseum in München veranstaltete Sonderausstellung „Hafnergeschirr aus Altbayern“ und in der Folge davon die im Vilsbiburger Heimatmuseum 1977 eröffnete Sonderschau „Kröninger Hafnerware“. Gerade zur letzt genannten Ausstellung in Vilsbiburg hat Museumsleiter Lambert Grasmann noch viele Informationen von noch lebenden Hafnern abrufen, ja sogar auf Tonband festhalten und in das heute als Standardwerk zum Kröning verfasste Buch „Kröninger Hafnerei“ einfließen lassen können. Damit sind viele Einzelheiten, wie Geschirrbezeichnungen, Details aus der Arbeitswelt, dem Vertrieb der Ware und aus dem Alltag akustisch auf unsere Zeit gekommen. Befragt werden konnten noch Lorenz Westenthanner aus Pattendorf und Alois Kaspar aus Onersdorf. Hauptinformanten jedoch waren die Brüder Benno (1900-1980) und Georg Zettl (1905-1990) aus Bödldorf, wobei Benno bereits mit 16 Jahren aus dem Berufsleben ausschied. Der Grund lag darin, dass der bis dahin die Landwirtschaft besorgende Onkel Michael Zettl nicht mehr zur Verfügung stand. Kommentar der Brüder Zettl: „Der Vater verstand nichts von der Landwirtschaft“. Georg Zettl arbeitete im Gegensatz zu seinem Bruder noch länger in der elterlichen Hafnerei. Nachdem 1928 der Betrieb auf dem „Uiderl-Anwesen“ eingestellt worden war, fand er nun ausschließlich auf dem elterlichen Hof in der Landwirtschaft Beschäftigung. 1940 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, kehrte er wieder zu seiner früheren Arbeit auf den Hof in Bödldorf zurück.

 

Georg Zettl fühlte sich zeitlebens der Hafnerei verbunden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Familie Zettl vor dem Zweiten Weltkrieg Kontakte zur Keramischen Fachschule in Landshut pflegte und Schüler und Lehrer (z. B. Eugen Kiechle) die ehemalige Werkstatt besuchten. Noch in den 1960er Jahren hat sich Georg Zettl zu bestimmten Anlässen mit Drehscheibe und Arbeitsgerät vor das Haus begeben, um dort das Drehen einfacher Gefäße vorzuführen. Kleinwerkzeug, wie „Haferldraht“, Schiene, „Wehreisl“ (Abdrehschiene), „Handscherm“ (Topf zum Befeuchten der Hände) hatte er bis zu seinem Tod an einem bestimmten Platz im Haus „griffbereit“ aufbewahrt.

 

Nach dem Tod seines Bruders Benno 1980 war er weiterhin ein geduldiger Informant. Eine Anregung Grasmanns aufnehmend hat er dann, eine eigenhändig geschriebene, sechsseitige Schilderung von Arbeitsabläufen in der elterlichen Hafnerei verfasst. Je ein Exemplar übergab er 1985 in „pädagogischer“ Absicht als „Lehrmittel“ der Schule in Kirchberg und dem Vilsbiburger Heimatmuseum.

 

Mit seinen Geschwistern Benno, Sophie und Therese hat er sporadisch das Vilsbiburger Heimatmuseum mit sowohl in der Hafnerwerkstatt hergestellten Gegenständen, als auch mit Dingen des täglichen Gebrauchs bedacht. Dieser Schenkungspraxis ist es auch dann zu verdanken, dass vom 5. Mai bis 2. Dezember 1990 eine Sonderausstellung über die „Uiderl“-Werkstatt zustande kommen konnte.

 

Als  der „letzte Kröninger Hafner“ starb Georg Zettl in seiner gewohnten Umgebung plötzlich und unerwartet am 28. Januar 1990. Es war ihm nicht mehr gegönnt „seine“ Ausstellung zu erleben.

 

Die Fotografie zeigt die Familie Zettl vor ihrem als Einzeldenkmal in der Bayerischen Denkmalliste geführten Anwesen in Bödldorf Nr. 4, Gde. Kröning, das als Haustyp in die Kategorie „Wohn-/Stadel-/Stallhaus“ eingestuft ist.
Auf der gepflasterten „Gret“, die Ziegelsteine sind stehend senkrecht zur Hauswand ausgerichtet, haben sich die Familienmitglieder dem Fotografen gestellt. Der äußere Anlass dürfte der Weggang vom Elternhaus der Tochter bzw. Schwester Franziska Zettl gewesen sein, die am 26. Mai 1933 nach ihrer Profess als Schwester M. Bennonia in das Kloster St. Maria der Dominikanerinnen in Niederviehbach aufgenommen wurde. Vorne links am Tisch sitzt die aus Großbettenrain gebürtige Mutter Maria Zettl, geb. Schindlbeck (1869-1937), gegenüber der Vater Hafnermeister Benno Zettl II (1859-1946). Stehend von links sind abgelichtet Georg, (1905-1990), Therese (1904-1986), Maria (1899-1974), Franziska (1902-1979), Sophie (1909-1983) und Benno III Zettl (1900-1980). Zum Wohnhaus ist noch zu bemerken, dass das Erdgeschoß des sonst in Holzblockbauweise errichteten Anwesens 1930 eingemauert wurde und die Fenster eine Vergrößerung erfuhren. Im selben Jahr hat man auch den Geschirrbrennofen abgebrochen und in zwei Räume unterteilt, die dann als Nähwerkstatt für Sophie Zettl und als Futterkammer genutzt wurden.
Bödldorf steht in diesem Jahr am 10. September im Mittelpunkt beim Tag des offenen Denkmal. Um 10 und 14 Uhr finden Führungen durch den alten Hafnerort statt.

Lambert Grasmann
Zu einem Videobeitrag des BR vom Januar 2017

Das Handwerk der Fischer in Vilsbiburg an Großer und Kleiner Vils, an der Bina und an Teilen der Rott umfasste ehemals über 100 Mitglieder.
 
Vilsbiburg. Der Abbruch des alten Fischer-Dürr-Hauses am heutigen Mühlenweg markiert in Vilsbiburg das endgültige Ende einer Jahrhunderte alten Fischerfamilien- und Handwerkstradition. Der unbekannte Fotograf hat um das Jahr 1900 gerade noch das bereits im Abbruch begriffene alte Fischeranwesen mit der ehemaligen Hausnummer 185 ablichten können. Laut Häuser- und Rustikal-Steuer-Kataster von 1808 war das Haus aus Ziegeln gemauert, eine Bauweise, die in den Vormärkten nicht selbstverständlich war. Auf dem Anwesen ruhte zu dieser Zeit ein Fischereirecht. Ein weiteres Fischeranwesen mit Fischrecht befand sich im Besitz von Lorenz Brams in Herrnfelden, das dieser um 1908 beseitigt hat. Thomas Hofstetter, Fischer in Mühlen, veräußerte 1904 sein Fischrecht an den Derndlmüller. Nachdem dieser sein Haus abgebrochen hatte, verbrachte er als Privatier seine alten Tage in Vilsbiburg.

 

Das Fischerhandwerk

Dass auch die Fischer wie Schreiner, Bäcker, Metzger usw. einstmals in einem eigenen „zünftigen“ Handwerk organisiert waren, wo sie nach der Handwerksordnung alljährlich ihren Jahrtag mit Kirchgang und Versammlung zu absolvieren hatten, ist verhältnismäßig unbekannt. Waren sie doch im ehemaligen Landgerichtsbezirk Vilsbiburg weit verstreut an den Flussläufen der Großen und Kleinen Vils, an der Bina und an der oberen Rott bis um Gangkofen ansässig. Handwerksordnungen der Fischer haben sich im Heimatmuseum aus den Jahren 1482, 1554, 1584 und 1738 erhalten. Aussteller der Urkunden waren jeweils die bayerischen Herzöge bzw. Kurfürsten. Im 18. Jahrhundert befanden sich im Vilsbiburger Handwerk der Fischer über 100 Mitglieder verzeichnet. Nach Auflösung der Zünfte 1868 betrieben noch immer 69 Fischer im Bezirksamt das Handwerk, dessen Organisation dann in einen Verein überging.

 

Die Fischerfamilie Dürr

Der erste auf dem Besitz am Mühlenweg nachweisbare Fischer aus der Familie der Dürr ist Peter „Thier“, der 1662 in Vilsbiburg das Bürgerrecht verliehen bekam. Gleichzeitig, so ein Vermerk im Ratsprotokoll der Marktgemeinde Vilsbiburg, erhielt er von einem „Herrn von Seyboldsdorf das Fischwasser gestiftet“, er konnte es pachten. Ihm folgte sein Sohn Gregor nach, den man 1679  als Bürger aufnahm. Die letzten aus der Fischer-Dynastie der Dürr waren Honorat († 1882) und Michael Dürr († 1896). Deren ledig gebliebenen Schwestern Maria und Monika verkauften das Haus 1897 und bezogen an der Veldener Straße ein neues Heim. Neuer Besitzer wurde Mühlenbesitzer Xaver Balk, der das Fischeranwesen um 1900 abbrach.

 

Das Fischerhaus am Mühlenweg

Der ehemalige Mesner Franz Xaver Schermer beschreibt als ehemaliger Nachbar der Dürrs in seinen Erinnerungen das Fischeranwesen und schildert detailliert auch die Wohnverhältnisse. Die Haustüre, so Schermer, besaß kein Schloss. Innen war eine hölzerne Klappe, eine so genannte Falle, die man von außen mit einem Schnürl in die Höhe ziehen konnte. Wollte man unter Tags fortgehen und die Türe schließen, so durfte man das Schnürl nur hinein ziehen. Bei der Rückkehr konnte man oben durch eine handbreite Öffnung innen hinunter greifen und die Klappe heben. Zur Nachtzeit wurde die Türe innen mit einem Holzprügel versperrt. Die geräumige Stube war mit Lehm beworfen, wobei im Winter das Wasser von den Wänden lief und sich den Weg über den Stubenboden nach außen suchte. Sie war so niedrig, dass, wie die Dürr-Schwestern erzählten, die 1813 einquartierten hoch gewachsenen Russen darin nicht aufrecht stehen konnten.

 

An die Stube reihte sich die Küche. „Mein Gott“, so vermerkt Schermer weiter, „was war das für eine Küche!“ Ein ganz finsteres Loch mit einem winzigkleinen Fensterchen, so dass nie eine Sonnenstrahl in die Küche geleuchtet hat. Der Herd war ein mit Ziegelsteinen aufgebauter, mit Erde ausgefüllter und mit einer Ziegelplatte abgedeckter Sockel. Darauf brannte das offene Feuer, dessen Rauch durch einen offenen Kamin abzog. Die Kochtöpfe stellte man um das Feuer, zum Braten wurde eine Pfanne auf einem eisernen Gestell, dem Dreifuß, abgesetzt. Wegen der Finsternis in der Küche habe man kaum die Kücheneinrichtung und die Köchin nur bei angefachtem Herdfeuer gesehen. Im Erdgeschoß befand sich auch die Schlafkammer der beiden Brüder, mit einem kleinen Fenster so nahe am nächsten Haus, dass nie ein Sonnenstrahl eindringen konnte. Der Boden war mit einem Steinpflaster ausgelegt, auf dem auch Fischereigeräte wie Netze, Stangen und anderes lagerten. Das Obergeschoß beherbergte ein „hübsches“ helles Dachstübchen, „die Obere Stube“ und unmittelbar daneben hatte man das Heu mit dem Futterstroh für die Kühe untergebracht.

 

Der Fischerjahrtag

Die Jahrtage der Handwerke, zu denen die Viermeister, auch Obermeister, die Einladungen an die Mitglieder aussprachen, fanden in der so genannten Herberge in einer der vielen Gastwirtschaften Vilsbiburgs statt. Vor den versammelten Zunftmitgliedern wurde die Handwerkslade aufgeschlossen, „vor offener Lade“ begann ein förmlicher Hoheitsakt. Nach dem Verlesen des Jahresprotokolls wurden neue Lehrlinge ins Handwerk aufgenommen, die Gesellen freigesprochen und die Jungmeister nach abgelegter Meisterprüfung verpflichtet. Wichtiger Bestandteil der Zusammenkunft war das Einkassieren der Mitgliedsbeiträge, dem „Handwerksschilling“ sowie das Aussprechen von Handwerksstrafen. Der Kirchgang mit anschließendem Mahl war obligatorisch.

 

Schermer beschreibt den Ablauf des alljährlich von den Dürr-Geschwistern besuchten Vilsbiburger Fischerjahrtags. Danach sei es sehr nobel her gegangen. Mit den besten Kleidern angetan begab man sich vormittags „unter Musikschall“ zur Kirche, um sich danach zum Festmahl in die Brauerei Winkler (heute Gebäude der Sparkasse) zu begeben. Hernach zogen sie mit der Festgesellschaft und mit Musikbegleitung zum so genannten Winklerkeller an der Bergstraße zum Tanz. Maria Dürr verteilte inzwischen zu Hause unentgeltlich „gesottene Krebse“.

 

Mit dem Tod der letzten Dürr-Schwester Monika am 8. Mai 1906 war das letzte Mitglied aus der Fischer-Dynastie ohne Nachkommen gestorben. Nachdem auch das Fischeranwesen der Spitzhacke zum Opfer gefallen war, verblassten schnell die Erinnerungen an diese einst so bekannte und geschätzte Familie.
 

Milde war der Grundsatz seines Wesens

Zum Todestag von Pater Dr. Viktrizius Weiß am 8. Oktober
„Kann denn ein Niederbayer ein Heiliger werden?“ fragt Thomas Jechtl in einem Bericht im Straubinger Kalender vom Jahr 1995. Und dann fügt er auch gleich hinzu: „Der in Heiligkeit gestorbene Pater Viktrizius war von 1908 bis zu seinem Tod 1924 im Kapuzinerkloster Vilsbiburg“.

 

Ein Senfkorn? Dieses ist eines von den kleinsten aller Sämereien. So klein und unansehnlich das Senfkörnlein ist, so klein und unscheinbar gab sich der im Kapuzinerkloster Vilsbiburg in Heiligkeit verstorbene Pater Viktrizius Weiß. Aus dem Senfkorn ist ein mächtiger Baum geworden. Aus dem schüchternen Stundenten Anton Weiß wurde der Präfekt und Dozent im erzbischöflichen Priesterseminar in Freising, ein Prediger in der Freisinger Domkirche, ein Doktor der Theologie, ein Pater Viktrizius und Provinzial der Bayerischen Kapuziner.

 

Von der gesundheitlichen Natur seines mit 79 Jahren im Jahr 1889 in Landshut verstorbenen Vaters, dem Chirurgen und Wundarzt Anton Weiß, hatte sein Sohn, der Kapuzinerpater und Doktor der Theologie Pater Viktrizius nicht viel mitbekommen. Anton Nikolaus, so war sein Name vor seiner Einkleidung in Burghausen im August 1875; dann bekam er den Habit der Kapuziner und auch den Namen Viktrizius – der Siegreiche.

Mit 66 Jahren zog er sich vor fast genau 100 Jahren, im August 1908 in das Kapuzinerkloster auf den Maria Hilf-Berg bei Vilsbiburg zurück und hier verbrachte er noch 16 Lebens- und Ordensjahre. Unter seiner Provinzialleitung wurde das damals verwaiste Kloster Vilsbiburg im Jahr 1886 von den Kapuzinern übernommen. Das Kloster auf dem Maria Hilf-Berg unmittelbar an der Straße, auf dem Weg von seiner Geburtsstadt Eggenfelden zur Stadt Landshut, wo seine Familie im Jahr 1854 sich sesshaft gemacht hatte und er seine achtjährige Gymnasialzeit verbrachte. Der Gesündeste war Pater Viktrizius nie, eine Kurzatmigkeit begleitete ihn zeitlebens, was im Alter dann zu starken Hustenanfällen führte. Dennoch konnte Viktrizius das stattliche Alter von 82 Jahren erreichen.

Pater Ingbert Naab schreibt sechs Jahre nach seinem Tod im Jahr 1930 in seiner erstellten Biographie über P. Viktrizius: Viktrizius war demütig, freundlich, heiter, teilnehmend, gütig im vollkommenster Gnad; er besaß auch Humor, Lächeln, Gemeinschaftsgeist, Herablassung. Ebenso gewiss ist auch dies: er konnte nur Spaß verstehen, aber nicht Spaß machen, er konnte nicht herzhaft auflachen, nicht necken, er konnte nicht stürmisch begrüßen, nicht die Hände drücken und schütteln, er konnte nichts eilig nehmen, er konnte nicht laut rufen und bewegt gestikulieren. Das alles war es, was den Verkehr mit ihm eigenartig gestaltet hat. Und doch fühlte man sich zu ihm so außerordentlich hingezogen, nicht im gewöhnlichen gesellschaftlichen Sinn, wie man sich mit irgendeinem Bekannten gut unterhält, sondern in Verehrung und kindlichem Vertrauen. Er strahlte Vertrauen aus und gab das Gefühl von sich: mit dem Mann möchte ich über alles sprechen können, was meine Seele berührt.

Im August 1908 legte P. Viktrizius nach Ablauf seiner letzten dreijährigen Amtszeit das Bayerische Kapuziner-Provinzialat endgültig nieder. Er zählte jetzt 66 Jahre. Von zunehmender Kränklichkeit gezeichnet, zieht er sich in das Kapuzinerkloster auf dem Maria-Hilf-Berg in Vilsbiburg zurück. Hier lebte er ein heiliges Leben in Tugend, Gebet und Arbeit, bis ihn der Herr am 8. Oktober 1924 in die Ewigkeit abruft. Viktrizius hatte in den letzten Jahren seines Lebens ein Blasenleiden, Hämorrhoiden, ein Herzleiden das ihm öfters das Blut gegen den Kopf trieb, mehrere Lungenentzündungen, hatte Wunden an den Füßen, von den Fersen bis zum Schienbein. Ein durch Reizung der Bronchien bewirkter Husten war so stark, dass Erstickungsanfälle eintraten. Zuletzt war der ganze Körper mit Geschwüren bedeckt, die nacheinander aufbrachen und sich neu bildeten. Wegen peinlicher Störung der Mitbrüder musste er schließlich die Kommunität meiden. Außerdem war er in den letzten acht bis zehn Jahren fast erblindet und recht schwerhörig. So lange seine körperlichen Kräfte ausreichten, machte er die ganze Ordnung mit im Chor, im Refektorium und in der Erholung – einer klösterlichen Unterhaltung. Je stärker er jedoch an Schwerhörigkeit litt, desto weniger konnte er daran teilnehmen. Aber um der Gemeinschaft willen wollte er nie fern bleiben.

In seiner Zelle wollte er nichts Überflüssiges haben, hielt sie jederzeit sauber, alle Gegenstände standen an ihrem Platz, das Pult war aufgeräumt und die Bücher an ihrem Ort. Sein Habit war arm und abgetragen, aber immer reinlich. Nach altem Ordensbrauch unterließ er es nicht, für jede Kleinigkeit die ihm gegeben wurde, den Segen des Herrn zu erbitten. Auch die Armut im persönlichen Gebrauch hielt er ungemein hoch. Beim Essen genoss er nur das Notwendigste. Später konnte er vieles nicht mehr vertragen und nahm in der Regel etwas Brei oder eine Art Mus zu sich.

Er stand mit den übrigen Mitbrüdern in der Früh um viertel vor fünf Uhr auf und bereitete sich zur hl. Messe vor. Auch als Greis von 80 Jahren pflegte er regelmäßig um halb sechs Uhr zu zelebrieren, und zwar im Chor beim Hochaltar der Maria Hilf-Kirche. Nach der Messe machte er seine Danksagung, wobei er allen hl. Messen beiwohnte bis um acht Uhr, sofern er nicht durch den Beichtstuhl in Anspruch genommen war. Dann nahm er sein Frühstück und begab sich später zur Anhörung der täglichen neun Uhr Messe. Von der Zeit an, als er das Augenlicht verloren hatte, erbat er sich um zehn Uhr aus den Reihen der Patres einen Vorleser. Er ließ sich den Betrachtungsstoff für den kommenden Tag vorlesen, ebenso etwas aus dem Leben der Heiligen. Nachmittags pflegte er regelmäßig in die Kapuziner-Hauskapelle zu gehen und dort seinen gewohnten täglichen Kreuzweg mit innigster Andacht zu beten. Er pflegte dabei von Station zu Station zu gehen, obwohl ihn in seinen letzten Monaten kaum die Füße mehr trugen. Am Spätnachmittag ließ er sich regelmäßig etwas über das göttliche Herz Jesu vorlesen. Als sein Gehör immer schlechter wurde, merkte er nicht mehr, dass er die Gebete unablässig halblaut vor sich hin sprach. Im Refektorium, auf den Gängen des Hauses, auf den Stiegen überall betete er unablässig. Es war ergreifend, wie der alte Pater nach der hl. Messe lange Zeit unbeweglich, das Taschentuch vor das Gesicht haltend, im Chor kniend, halb sitzend verbrachte. Die Tränen, welche die Bank befeuchtet hatten, sagten genug darüber aus, mit welcher inneren Ergriffenheit Viktrizius mit seinem Heiland verhandelt hatte.

Wir dürfen wohl annehmen, dass Pater Viktrizius die höheren Gebetsgnaden hatte, die mystische Vereinigung mit Gott. Vier Tage vor seinem Tod, am Franziskustag, führte ihn sein Weg nachmittags noch einmal in die Hauskapelle, wo er die Wand entlang tastend den Kreuzweg betete.

 

Der selige Heimgang

Die Zeit war gekommen, wo der von schwersten Leiden gemarterte Leib seinen Dienst versagen musste. Ende Juli oder August 1924 hielt man das Ende des von Schmerzen verzehrten Mannes für nahe. Es war ihm sehr schmerzlich, dass er mit Rücksicht auf seine Armseligkeit gegen die Kapuzinersitte den Habit ablegen musste. Aber sein Befinden besserte sich, und alsbald ging er wieder in den Chor und in die Hauskapelle. Mit Aufgebot aller Kräfte las er noch die hl. Messe bis zum 3. Oktober 1924. Es war ein Herz-Jesu-Freitag. Der Krankenbruder Hermas verständigte den Hausoberen, dass die Kräfte des P. Viktrizius vollständig zu Ende seien. Infolge verbot ihm der Hausarzt Messen zu zelebrieren, was sicher aber schon so unmöglich gegangen wäre. Trotzdem schleppte sich der schwerkranke Mann am Nachmittag des Franziskustages, am 4. Oktober, noch einmal verstohlen in die Hauskapelle, um dort zum letzten Mal den Kreuzweg zu beten. Am Samstag, Sonntag und Montag ließ er sich vom Krankenbruder in die Hauskapelle führen, um dort mit ergreifender Andacht zu kommunizieren. Gar gerne hätte er am Sonntag der hl. Messe beigewohnt, aber der Krankenbruder fürchtete, er würde zusammenbrechen. Da er es dennoch versucht hätte zur Messe zu gehen, sperrte Bruder Hermas die Zellentüre ab. Als der Krankenbruder von der Kirche zurückgekommen war, sagte Viktrizius vorwurfsvoll, aber lächelnd zu ihm: „Gell du hast mich eingesperrt.“ Es scheint, dass er es doch versucht hatte, die Türe zu öffnen, um der Messe noch beiwohnen zu können.

Am Dienstagmorgen den 7. Oktober meldeten sich die Anzeichen des nahen Todes. Die Sinne schwanden, die Zunge versagte ihren Dienst; er wollte immer noch etwas reden, aber man verstand ihn nicht mehr. Der Krankenwärter Bruder Hermas benetzte wiederholt seine Zunge mit Wein; dankbar drückte er ihm dafür die Hand. Von Mittag an, lag er ganz ruhig da. Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch röchelte er. Am Mittwochnachmittag war in der Kirche der gewöhnliche Rosenkranz. Danach stimmten die Patres im Chor der Wallfahrtskirche Lobgesänge an. Gerade als von den Mitbrüdern das Benediktus angestimmt wurde, begann P. Viktrizius zu sterben. Bei den letzten Worten dieses Lobgesanges – „zu leiten unsere Schritte auf den Weg des Friedens“ – war er selber in den Frieden Gottes eingetreten und hatte seine Seele in die Hände des Schöpfers zurückgegeben. Es war am Mittwoch den 8. Oktober 1924 gegen 18 Uhr abends.

Nach altem Ordensbrauch wurde der Leichnam von den Brüdern gewaschen und angekleidet. Am anderen Tag wurde der Leichnam im Sprechzimmer bei der Klosterpforte, wo er so viele geistliche Beicht gehört und so viele Seelen getröstet hatte, aufgebahrt. Viele Leute kamen, um seinen Leichnam zu sehen, und berührten daran ihre Rosenkränze. Benefiziat Obermeier berichtet über den Anblick der Leiche: „Unvergesslich bleibt mir der Moment, als ich an den Leichnam herantrat. Anstatt das herkömmliche und mir längst bekannte Zerstörungswerk des Todes zu schauen, leuchtete mir ein ganz verklärter Leichnam entgegen. Mein Auge war entzückt ob der Schönheit des Toten, und sofort war mir klar: für die abgeschiedene Seele zu beten, ist hier ganz nutzlos. Von diesem Gedanken konnte ich mich bis auf den heutigen Tag nicht mehr befreien.“

Auch dem Kapuzinerpater Ingbert Naab, welcher sechs Jahre nach dem Tod von P. Viktrizius im Jahr 1930 „Ein Lebensbild“ von Pater Viktrizius Weiß geschrieben hatte, und von Passau zum Begräbnis nach Vilsbiburg gekommen war, erging es eben so, als er die Leiche des von ihm Hochverehrten Exprovinzials ansichtig wurde: „Eine Schönheit lag über dem Gesicht des Toten ausgegossen, welche sie Pater Viktrizius im Leben nie gehabt hat.“ Sie ergriff ihn in der tiefsten Seele.

 

Seine Exzellenz der Regensburger Diözesanbischof Dr. Anton von Henle gab nach der Beerdigung beredend zum Ausdruck: „(…) Es war sein letzter Herzenswunsch, seine letzten Lebenstage in Vilsbiburg zu verbringen. Der liebe Gott hat ihm diese Gnade gewährt, und er wird schon aus Dankbarkeit ein beständiger Fürbitter sein für die Pfarrei Vilsbiburg. Ich wünsche nur noch das eine: Sorgen sie, dass das Andenken dieses heiligmäßigen Mannes nicht verwischt werde im Andenken des Volkes!“
Peter Käser