Aus Cranachs Gemälde wird Maria Hilf
Ein Erzherzog bringt es nach Passau und es kommt zu wundersamen Erscheinungen
Es ist unter den Großen der Welt ein schöner Brauch, bei Staatsbesuchen mehr oder weniger wertvolle Geschenke auszutauschen. Sinnvoll sollen sie sein und in irgendeiner Beziehung zu dem hohen Gast stehen. Das erzeugt vielfach Freunde, zuweilen aber auch Stirnrunzeln. Was wird sich beispielsweise US-Präsident Barack Obama gedacht haben, als man ihm bei einer Visite in Polen ein Computerspiel überreichte? Gemischte Gefühle löste auch das Gemälde „Pferd in Royalblau“ aus, mit dem Bundespräsident Joachim Gauck erst vor wenigen Monaten Queen Elisabeth II. erfreuen wollte. Ein englischer Kunstkritiker fragte gar frech: „Ist das nun Bad Painting [figürliche Kunst von expressiver Farbigkeit] oder einfach nur schlecht gemalt?“ Da befindet sich der österreichische Erzherzog Leopold V. im Jahr 1611 in einer deutlich besseren Situation.
Der Spross aus dem Haus Habsburg ist ein Bruder des späteren Kaisers Ferdinand II und ein energischer, ehrgeiziger Mann. Im Alter von nur zwölf Jahren wählt man ihn zum Fürstbischof von Passau obwohl ihm verständlicherweise die erforderlichen Weihen fehlen. Auch sonst fällt Leopold in der folgenden Zeit eher durch weltliche denn durch geistliche Leistungen auf. Schnell entschlossen verabschiedet er sich daher 20 Jahre später aus der Dreiflüssestadt, um fortan in Innsbruck als Landesfürst von Tirol und Vorderösterreich zu residieren. Dieser Wechsel wird für das Gnadenbild Maria Hilf noch von Bedeutung sein. Zunächst aber stattet er als Passauer Fürstbischof 1611 dem sächsischen Hof einen Besuch ab. Der Überlieferung zufolge darf sich Leopold als Gastgeschenk selbst ein Bild aus der privaten Gemäldegalerie des Kurfürsten aussuchen. Seine Wahl fällt auf das Motiv Maria mit dem Kind von Lucas Cranach. So gelangt das Meisterwerk ins Zentrum des Bistums Passau, das zu jener Zeit bis vor die Tore Wiens reicht. Dort lernt Domdekan Marquard von Schwendi das Bild kennen und schätzen.
Der Weg auf den Maria-Hilf-Berg
Der Bischofsadministrator, der für den meist abwesenden und mit politischen Missionen ausgelasteten Fürstbischof das Bistum geistlich leitet, erwirkt die Erlaubnis, von Cranachs Original eine etwas vergrößerte Kopie anfertigen zu lassen. Diese bringt er in seiner Privatkapelle am Fuß des Schulerberges in der Passauer Innstadt an. Hier haben er und eine Reihe anderer Personen wundersame Erscheinungen, die sie in eine direkte Verbindung mit dem Marienbild bringen. Die öffentliche Zurschaustellung des Motivs von Cranach fällt zusammen mit den übersinnlichen Zeichen in eine Zeit allgemein anschwellender Marienverehrung. So übt die kleine Kapelle in Passau auf die Bevölkerung aus nah und fern eine magnetische Wirkung aus. Bald entschließt sich Freiherr von Schwendi, auf dem heutigen Maria-Hilf-Berg eine Kirche zu bauen. Das Gotteshaus wird im Jahr 1627 fertiggestellt.
Ein kriegerisches Jahrhundert
Das 17. Jahrhundert ist ganz sicher keine „gute alte Zeit“. Rund um Passau, besonders in Oberösterreich und Böhmen, flammen immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen auf, die schließlich in den Dreißigjährigen Krieg münden. Spätestens seit die Schweden wiederholt bis vor die Tore der Bischofsstadt vordringen, sieht man in der Region allen Grund, den Schutz der Mariens zu erflehen. Aber auch der Westfälische Friede von 1648 bringt nur eine kurze Atempause. Nur wenige Jahre später droht mit dem Vormarsch der Osmanen neues Ungemach. Als die Türken im Jahr 1683 vor Wien stehen, erwartet sich die Mehrheit der Bevölkerung angesichts der militärischen und politischen Ohnmacht von Kaiser und Reich Hilfe nur noch von himmlischen Mächten. Kaiser Leopold I. hält es für angemessen, sich mit seinem Hofstaat nach Linz zurückzuziehen und dort fast täglich auf Knien vor dem Marien-Gnadenbild den Sieg zu erflehen. In den entscheidenden Septembertagen der Schlacht am Kahlenberg rückt die Passauer Gnadenstätte mit dem Maria-Hilf-Bild in den Mittelpunkt der Christenheit. Die kaiserlichen Truppen werfen sich mit dem Schlachtruf „Maria hilf“ in das Gemetzel und es gelingt ihnen, die zahlenmäßig überlegene türkische Übermacht zurückwerfen.
Als der Kaiser triumphierend in das befreite Wien einzieht, gibt er Befehl zum Bau einer mächtigen Barockkirche, die danach einem ganzen Stadtviertel ihren Namen gibt. In den Altaraufsatz fügt man eine Kopie des Passauer Gnadenbildes. Das Original hatte Erzherzog Leopold V. bereits bei seinem Auszug aus Passau mit nach Innsbruck genommen wo es noch heute den Hochaltar des Doms St. Jakob ziert. In der Euphorie des Sieges über die Osmanen breitet sich die Maria-Hilf-Verehrung in den katholischen Landen in Windeseile aus. Mehr als 500 neue Wallfahrten entstehen unter diesem Patrozinium. So erhält auch Vilsbiburg nur drei Jahre nach der Schlacht am Kahlenberg durch einen aus dem Tessin stammenden Kaminkehrer den neuen Gnadenort auf dem Berg.