Mit den Musikanten über Landfahren
Beruf der Spielleute im Wandel ? In der Neuzeit wie Handwerker organisiert
Vilsbiburg. In der Stadt mit dem mächtigen Torturm und der kleinen Wohnung darin hoch über den Dächern kann man sich den Beruf des Türmers gut vorstellen. Von seiner hohen Warte blickt er seit dem Mittelalter in alle vier Himmelsrichtungen und warnt die Bürger vor herannahenden Truppen oder Banden, besonders vor dem so genannten Roten Hahn. Das ist die Bezeichnung für die zahlreichen Brände, die durch die Verwendung von offenem Feuer, Kerzen und Fackeln, aber auch wegen der Holzbauweise der Häuser meist verheerende Ausmaße annehmen. Zusätzlich hat der Türmer die Aufgabe, den Zapfenstreich für die zahlreichen Wein- und Bierschenken zu blasen. In der Regel benutzt er dafür ein Wächterhorn.
So wichtig der Türmer auch für die Sicherheit der Bürger ist, gilt er doch in der Zeit vor dem Jahr 1500 als ?ehrlos? und wird damit den unehrlichen Berufen zugerechnet. Er steht damit in der ständischen Gesellschaft auf einer Stufe mit dem Abdecker, dem Scharfrichter, mit Händlern, Scherenschleifern, Kesselflickern und anderem fahrenden Volk. Dies rührt wohl daher, weil die Türmer sich wohl schon damals auch als Musikanten verstehen und mit ihrer Kunst auf Reisen gehen. Für die Kinder von Türmern hat dies die unangenehme Folge, dass sie von der Aufnahme in Zünfte ausgeschlossen sind und auch nicht in bürgerliche Familien einheiraten können. Somit bleiben ihnen jeder Handwerksberuf oder gar die Eröffnung einer eigenen Werkstatt verwehrt.
Musiker als Handwerker
Die Situation für die Spielleute bessert sich in der Neuzeit erst allmählich. Etwa im 18. Jahrhundert vollzieht sich der Wandel vom fahrenden zum ehrbaren Musiker. Nun sind auch die Türmer wie die Berufe der übrigen Handwerker am Ort organisiert. Es gibt von Türmermeister, Gesellen und Lehrlinge. Lambert Grasmann beschreibt in der Museumsschrift ?Handwerk im Museum ? vom Bader bis zum Wagner? die weiteren Einnahmequellen der Vilsbiburger Türmer. So dürfen sie in der Pfarrkirche die Gottesdienste sowie Jahrtage von Bruderschaften und Handwerksvereinigungen, musikalisch umrahmen. Bei Hochzeiten und Tanzveranstaltungen verstärken die Türmer ihre Formation vielfach durch ortsansässige oder auswärtige Spielleute. Zu gewissen Zeiten fahren die Türmer von Vilsbiburg auch über Land. So genannte Musik-Patente, das sind vom Landgericht genehmigte Konzessionen, erzählen im Archiv des Heimatmuseums von Auftritten im gesamten Land Bayern. Beispielsweise erhält der Vilsbiburger Türmergeselle Jakob Liechtenegger im Jahr 1779 die Genehmigung, mit Geige, Waldhorn und Trompete aufzuspielen. Der Meister André Mayrthaller erlaubt man um 1800 sogar, mit allen Instrumenten auswärts musizieren.
Die Kapelle Mayrthaller-Leiß
Rund ein Jahrhundert später ist der Name Mayrthaller noch immer ein fester Begriff im Vilsbiburger Kulturleben. Die Gebrüder Sebastian, Anton und Joseph Mayrthaller bilden zusammen mit Johann Baptist und Joseph Leiß eine bekannte Kapelle, die mindesten zehn Jahre lang auf Konzertreisen unterwegs ist. Der Vilsbiburger Anzeiger des Jahrgangs 1896 gibt über ein ?Frei-Concert? Auskunft, das die Gruppe für den Nachmittag des Lichtmesstages in der Weißbierbrauerei des Peter Kreill ankündigt. Wahrscheinlich erhofft man sich gerade da viele Zuhörer, markierte dieser Tag doch das Ende des Bauernjahres. Die Dienstboten bekommen die den Jahreslohn ausgezahlt und es beginnen die so genannten Schlenggeltage. Nach seinem Umzug nach Landshut sorgt Sebastian Mayrthaller im dortigen Musikleben für Furore. Er fungiert nicht nur als Chordirektor der Pfarrei St. Nikola und als Dirigent des Sängervereins. Er hat ab dem Jahr 1902 auch die Stelle eines Stadtkapellmeisters inne und bekleidet im Theaterorchester die Position eines Ersten Geigers und Konzertmeisters. Auch bei der Landshuter Hochzeit ist Mayrthaller führend musikalisch tätig. Ab der ersten Aufführung im Jahr 1903 leitet bis 1930 die Zunftmusik.