Die besten waren gerade gut genug
Eduard Schleich d. Ä. orientierte sich an Vorbildern wie Peter Paul Rubens
Der junge Student Eduard Schleich ist unter anderem auch von der Akademie der Bildenden Künste geflogen, weil man dort an höchster Stelle die Landschaftsmalerei ?als eine Art von Moos oder Flechtengewächs am großen Stamme der Kunst? einschätzte. Da Schleich jedoch fest entschlossen war, sich von der Kunst adeln zu lassen, suchte der die Nähe von Kollegen, die ebenfalls mit dem einflussreichen Akademiedirektor Peter von Cornelius auf Kriegsfuß standen. Deren gab es im München des frühen 19. Jahrhunderts nicht wenige; Johann Jakob Dorner, Johann Christian Ezdorf, Christinan Morgenstern und Carl Rottmann sind nur einige Beispiele. Und Schleich war ein eifriger Besucher von Gemäldegalerien, in denen er die großen Vorbilder studierte und von denen er sich inspirieren ließ. Dabei waren die besten Beispiele gerade gut genug.
Die Analyse vom Fachmann
Der Kunsthistoriker Professor Dr. Siegfried Wichmann beschreibt in seinem Beitrag zur Vilsbiburger Museumsschrift Nr. 14 die Auseinandersetzung Schleichs mit der Regenbogen-Landschaft des Peter Paul Rubens (1577 ? 1640). Kein Bild in der damaligen Alten Pinakothek in München habe Schleich so stark beeindruckt wie gerade diese Gemälde, das ab 1836 dort zu sehen gewesen sei. ?Freilich liegen darüber weder schriftliche Äußerungen Schleichs vor, noch finden wir etwa eine Kopie der Landschaft, die den direkten Beweis des Studiums erbracht hätte, dennoch ist die Abhängigkeit von Rubens und gerade von diesem Bilde sehr eindeutig, wenn man das Werk Schleichs von der reifen Zeit ab betrachtet?, schreibt Wichmann wörtlich. Beim Vergleich von Schleichs großer "Chiemseelandschaft" ? mit der Regenbogen-Landschaft des Rubens ließen sich verschiedene Merkmale in Beziehung bringen, die rein äußerlich schon zutage träten. Es sei der Fernblick und die klare Darstellung der Geländeteile, sowie die Ablesbarkeit der Dinge auch bei weiterer Entfernung im Fernraum, die Schleich diesem Ursprung verdanke. Die gewellte Landschaft, das hinströmende Auf und Ab des Geländes kehre von der ersten Berührung Schleichs mit Rubens im Beginn der reifen Zeit bis in die Spätzeit wieder. Der Gegensatz von kompakter Waldmasse an der rechten Bildseite, und von durchlichtetem Freiraum nach der linken hin, habe auf Schleich den größten Eindruck gemacht, oft wiederhole er es, sodass die Kompositionsart manchmal etwas Schematisches bekomme. Auch in der "Chiemseelandschaft? sei der Blick von rechts über die Bäume über die Bauern und weiter nach hinten über ein eingeschobenes Waldstück, in die dunstige durchlichtete Ferne geführt. Bei Rubens sei es der Waldkörper zur Rechten, der schon von beweglichem Licht erfasste Heuhaufen links und als Ende die vom Licht durchsickerte Ferne. Die schon erwähnte gewölbte, noch vom Regenbogen hervorgehobene Raumform, die Schleich mit Vorliebe anwendet habe, entstamme ebenfalls der Kompositionsart des Rubens; außerdem sei die Darstellung des Fruchtbaren im Landschaftsraum bei Schleich von derselben Quelle abzuleiten.
Und doch war Rubens der Superstar
Natürlich erkennt Wichmann auch Unterschiede, die deutlich machten, dass der sein gesamtes Leben sich entwickelnde Schleich dem größten Meister der Barockzeit nicht in allen Belangen ebenbürtig gewesen sei. Schleich gebe die Sicht von oben in eine Talmulde und distanziere den Vordergrundsraum vom Beschauer; das sei letztlich der Ausdruck einer Unsicherheit, die sich in der gewollten nicht sehr glücklichen Verbindung von immerhin noch tastbarem Vordergrundsraum und optischem Fernraum auswirke. ?Der Rubens?schen Einheit steht hier eine Uneinheit gegenüber; denn die aufs Feinste gebildete Verzahnung von noch tastbarer Waldmasse rechts in der "Regenbogen-Landschaft" mit durchlichtetem Fernraum und wiederum Vordringen des durchlichteten Luftraumes in dem tastbaren Vordergrundsraum, wie sich das am Baum über dem Heuhaufen und bis vorn an die Bildkante im durchlichteten Wasserdunkel des Baches deutlich zeigt, steht Schleich mit einer konstruierten Anordnung von Einzelteilen gegenüber?, so Wichmann in seiner Dissertation wörtlich.