Das wunderliche Orelli-Trinkglas
Eine Begebenheit auf dem Maria Hilf Berg aus dem Jahr 1689
Das Vorhaben des Vilsbiburger Kaminkehrers Donatus Barnabas Orelli, im Jahr 1686 auf dem Maria Hilf Berg eine Kapelle, ja vielleicht später sogar ein Kloster zu errichten, war dem Abt von St. Veit bei Neumarkt Marian Wieser (1695-1771) ein Dorn im Auge. Gegen die Errichtung eines Kapuzinerhospizes sträubte er sich, da er hiervon für sein Kloster in St. Veit, dem doch die Pfarrei Vilsbiburg einverleibt war, materielle und moralische Nachteile befürchtete. In der Aufregung über diese Sache soll er ausgerufen haben: „Lieber brennt mir meine Abtei nieder, als dass Kapuziner nach Vilsbiburg kommen!“[1]
Schon vor der Segnung der neuen Maria Hilf Kapelle im Jahr 1689 wurde in einem Kommissionsbefehl, die zur Pfarrkirche in Konkurrenz tretende, durch Spenden und Gaben hofierte Kapelle und die damit verbunden Messen angemahnt und geregelt. Dass die neue Kapelle auf dem damaligen „Kalvarienberg“ nach den anfänglichen Schwierigkeiten ihren Fortbestand haben muß, sollte nach deren Segnung (Benediktion) am 3. August 1689, beim anschließenden Festmahl „zur ewigen Erinnerung“ ein Trinkglas besiegeln.
Im Klostergebäude bei der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Vilsbiburg befindet sich beim Eingang zur klösterlichen Hauskapelle eine kleine Wandvertiefung, in welcher sich ein kleiner Holzkasten mit Glasscheibe und äußerem barockem Rahmenmotiv befindet. Der äußere vergoldete Holzrahmen hat die Maße von etwa 20 x 30 cm. Im Inneren befindet sich ein barockes, von Holz geschnitztes vergoldetes Aufnahme-Unterteil für ein kleines Trinkglas. Auf dem Unterteil stehen die Worte: „Glas des D. Orelli“. Das leicht gefärbte Trinkglas welches die Maße von 7 cm in der Höhe und etwa 6 cm im Durchmesser hat, ist mit eingeschliffenen Jagdszenen geschmückt. Hier erkennt man einen Jäger mit Hund und aufsteigendes aufgescheuchtes Federvieh, im Hintergrund eine Landschaft mit Baumbestand.
Neben dem „Orelli-Glas“ steckt ein gefaltetes vergilbtes Schriftstück, eine Abschrift eines Originaldokuments über eine „wunderliche Begebenheit“ vom Jahr 1710. Das Originalschreiben wurde am 6. Dezember 1849 fast gänzlich zerrissen aufgefunden und von Pater Gabriel Hampl, von der Kongregation der Redemptoristen „buchstäblich und getreu“ übersetzt. Das Schreiben berichtet von einer „Wunderlichen Begebenheit mit einem Glas“.
Am 3. August des Jahres 1689 wurde die Kapelle auf dem Maria Hilf Berg durch den Dekanatskammerer und Pfarrer von Aich Johann Sartorius Apohtoling,[2] in der Originalabschrift als Pfarrer Johann Sartorius benannt, gesegnet (benediziert) und die erste heilige Messe von Pfarrer Sartorius, unter Teilnahme vieler Gläubigen darin zelebriert. Als Zeichen der Freude und des Trostes wurde vom Kapellenstifter Barnabas Orelli, Bürger und Kaminfeger zu Vilsbiburg, den anwesenden Herren eine kleine Mahlzeit gereicht. Dies waren der Edl- und Wohlgeboren, Johann Antoni von Maffei, des Heiligen Römischen Reichs Ritter Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht in Bayern, Rat und Pfleger in Vilsbiburg, wie auch Wolfgang Reythmayr, Bürger und Kammerer (= Bürgermeister) von Vilsbiburg, samt dem Stifter Donatus Orelli und andere Befreundete. Doch plötzlich nimmt der Churfürstliche Beamte und herzogliche Pfleger Antoni von Maffei das Glas mit Wein zur Hand, trinkt es aus und spricht dann die Worte: „Wann diese Maria Hilf Kapelle einen Bestand haben wird, so wird dieses Glas auch einen Bestand haben.“ Dann wirft er das Glas auf die Erde, von dieser springt es an die Stubentüre, von dieser wiederum zu den Füssen des gemeldeten Herrn Pflegers – „und hat nicht die geringste Klumpsen bekommen“, was heißen soll, dass das Trinkglas nicht zerbrochen ist.
Einige Monate nach diesem Vorfall, hat diese historische Begebenheit der Superior der Kapuziner, Frater Claudius am 24. April 1710 niedergeschrieben. Er merkt auf der Originalabschrift an, dass dieses Glas dem Frater Claudius, vom Kammerer Wolfgang Reythmayr auf der Primiz des Sohnes von Donatus Orelli, dem Kapuzinerpater Donatus verehrt wurde und der Kammerer Reythmayr und Donatus Orelli als „oculati testes“, so zusagen als Augenzeugen unter Eid dies alles ausgesagt haben. Als Augenzeugen waren aus dem Konvent der Kapuziner ebenfalls anwesend: Pater Hugolinus Guardian zu Landshut, Pater Claudius Superior von Vilsbiburg, Pater Erhard Lectore zu Landshut, Pater Lambert der Baumeister, Pater Evaristus aus der hiesigen Kapuzinerfamilie und Pater Donatus der Primiziant, der Sohn vom Kapellenstifter Donatus Orelli. Sie alle bezeugen unter Eid, dass sich diese Geschichte mit dem Trinkglas, genauso wie beschrieben zugetragen hat. Dies alles soll zum „Ewigen Gedächtnis“ hier in Vilsbiburg im Archiv des Kapuzinerordens aufbewahrt werden. Das Original wurde unter der Archivnummer N. 7. L. A. aufbewahrt.
Mit der Säkularisation wurden auch die Klöster aufgelöst. Pater Franciskus, Superior der Vilsbiburger Kapuziner, hat in weiser Voraussicht der Klosteraufhebung, am 9. August 1802 dem Herrn Orelli die archivalen Gegenstände übergeben. Nun schließt sich der Kreis des „wunderbaren Orelli-Glases“, denn das Originaldokument vom Jahr 1710 wurde am 6. Dezember 1849 fast gänzlich zerrissen aufgefunden und von Pater Gabriel Hampl, von der Kongregation der Redemptoristen „buchstäblich und getreu“ übersetzt und dem Glas beigegeben.
Vielleicht sollt man anmerken, dass der aus Locarno stammende Kaminfeger Barnabas Donatus Orelli der Gründer und Urheber der Wallfahrt auf Maria Hilf, im Jahr 1678 nach Vilsbiburg gekommen ist, wo ihm am 19. August das Bürgerrecht verliehen wurde.[3] Die Grundsteinlegung zur Kapelle „Unserer Lieben Frauen Hilf“ erfolgte durch den Vilsbiburger Pfarrvikar Pater Bernhard Hintershueber und in Gegenwart des kurfürstlichen Pflegers von Maffei am 27. Mai 1686.[4] Der Bau eines Kapellen-Rundbaues mit einem Glockenturm war am 20. Juni 1689 fertig; das Maria Hilf Bild wurde zur öffentlichen Verehrung vorgestellt. Nach der päpstlichen Breve vom 24. Juli 1688 für einen Vollkommenen Ablaß und der Ordinariatsbestätigung für den neuen Kapellenbau am 16. März 1689, erfolgte vom Pfarrer aus Aich Johannes Sartorius als Apostolischer Protonahtor, am 3. August 1689 die erste zelebrierte heilige Messe und die Segnung der Kapelle, und somit die Segnung bis zu der Zeit, da die Kapelle ordentlich zu konsekrieren, also zu weihen ist, was am 14. August 1695 geschehen ist.
Die Konzelebranten zum Aicher Pfarrer Sartorius, welcher die ersten heiligen Messe auf einem tragbaren Altar feierte, waren der Vilsbiburger Frühmessbenefiziat Simon Gaibinger, Martin Perndorffer zu Gaindorf und der Kooperator von Aich Ferdinand Köck. Eine überaus große Menschenmenge hatte sich am Kalvarienberg bei der neuen Kapelle eingefunden. Während der ganzen Oktav (acht Tage) soll nun eine tägliche Messe gelesen werden, insbesondere für den Landesfürsten Max Emanuel und zur Genesung seiner schwer erkrankten Gattin Herzogin Maria Anna.[5]
Nach dieser Festlichkeit am 3. August 1689 ereignete sich dann beim Festessen die Begebenheit mit dem Trinkglas, dem heute noch so oft bestaunten „wunderlichen Orelli-Trinkglas“.
Dezember 2007 Peter Käser
Eine Begebenheit auf dem Maria Hilf Berg im Jahr 1689.
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Abschrift eines Documentes vom wunderbaren Glas genannt, die im Glase selbst im Jahr 1849 den 6. Dezember fast ganz zerrissen vorhanden war. Für Herrn Donat Orelli gemacht von Pater Gabriel Hampl, Congregation der Redemptoristen. Sie ist buchstäblich getreu.
Wundliche Begebenheit mit einem Glas.
Anno 1689 den 3. Augusti ist die Capelle auf dem Maria Hilf Berg zum ersten [mal] durch A. R. D. Sartorinm Pfahrherr und Cammerer in Aich eingeweihet worden. Zu einem Freuden und Trost Zeichen wurdte von Herrn Donat Orelli alß Burger und Caminfeger allhier eine kleine Mallzeit angestellt, bey welcher sich der Edl und Wohlgebohren Herr Jo: Antoni von Maffei des H : Röm : Reichs Ritter etc. Churf : Rath und Pfleger zu Vilsbiburg, wie auch Wolfgang Reithmayr, Burger und Cammerer allhier sambtgemelten Donat Orelli und andern mehr befreundten. Da namb der gnädige Herr v. Maffei dises Glas mit Wein, trinkht selbes aus, und spricht diese Wordt, von die Capelle Maria Hillf ein bestandt würdt haben, so würdt dieses Glas auch einen bestandt haben – würfft alsdann selbes auf die erdtn von der erdte sprang es an die Stubenthür, von da wider zu den Füessen des gnädig Herrn Pflegers, und hat nit die geringste Klumpsen bekommen. Das Glas hat mir H. Wolfgang Reithmayer auf der Primiz des Herrn Donat Orelli Sohnes, als nemlich Pater Donati Capuciner verehrt, und beyde als Herr Wolfgang Reithmayr und Donatus Orelli als oculati testes (= Augenzeugen) aidtlich bekenns, in gegenwarth einiger P.P. Capuciner als P. Hugolino, Quardiano Landeshuti, P. Claudio Superiore acteali, P. Erhardo Lectore Landshuti, P. Lamberto Fabricio, P. Eoarithe ed Familia hujate und P. Donato Neomihta, daß sich das Geschehnis mit diesem Glas habe zuegetragen wie gemeldt worden, soll also zu obiger Gedächtnuß alhier zu Vilsbiburg in unsern Archiv auf gehalten werdten.
Datum Vilsbiburg den 24. April 1710.
ad Nr 7 casus mirabilis Frater (Fr.) Claudius capuc: p. s. Supaior
Das Original astehlatum ist in Archiv aufbehalten N. 7. L. A.
(von außen:)
Cases mirabilis huhis vitri, (: dann mit Bleistift 🙂
P. Franc. Reg. Cap. Superior 9. August 1802 (: dieser scheint es, da die nahe Aufhebung schon rufbar wurde, dem H. Orelli übergeben zu haben, dann ist noch das Zeichen:) TS II : 1808 :
6. Dezember 1849
Übersetzt: Peter Käser, Juli 2007
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[1] Beiträge zur Geschichte, Topographie und Statistik des Erzbistums München und Freising, München 1915. Ab Seite 104: Geschichte des Benediktiner-Klosters St. Veit bei Neumarkt a.d. Rott in Oberbayern, von Joh. Nep. Kißlinger, S. 166, Orelliglas.
[2] 1669 – 3. Juli 1700 +, Johann Sartorius Apohtoling (Johann Sartor); stand der Pfarrei Aich 32 Jahre vor, liegt in der Aicher Kirche vor dem St. Josefaltar; seine Grabplatte ist heute im südlichen Eingangsportal. Nachdem der Grundstein für die Vilsbiburger Maria Hilf Kapelle am 27. Mai 1686 von Pater Bernhard Hindershueber, Pfarrer und Vikar in Vilsbiburg gelegt wurde, wurde die Maria Hilf Kapelle am 3. August 1689 benediziert (gesegnet) und die erste hl. Messe wurde vom Pfarrer von Aich Johann Sartor in Maria Hilf zelebriert.
[3] Grasmann Lambert: Zur Bau- und Kunstgeschichte der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Vilsbiburg, in: Der Storchenturm, 20. Jgg, 1985, Heft 40, S. 96ff.
[4] Archivum, Vilsbiburgense, Im Jahr 1751. (Im Archiv der Maria Hilfkirche). Über den Ursprung der Kirche auf dem Maria Hilf Berg, S. 8. Übersetzt von Dr. Albert Stieß, Vilsbiburg, 2006.
> Wie entstand Maria-Hilf, Pfarrer Bartholomäus Spirkner, Festschrift zur Feier des 200. Todestag des Wallfahrtsgründers Donatus Orelli.
> Kirchenführer Wallfahrtskirche Maria Hilf, 3. Ausgabe 1986, Pater Zeno Ganserer OFMCap, Wallfahrtsdirektor. Verlag Schell und Steiner, Nr. 142.
[5] Anm. 3, S. 9.