110 Jahre – und kein bisschen verstaubt!
Das Heimatmuseum wird am 20. November stolze 110 Jahre alt
Da wird jemand 110 Jahre alt – das ist normalerweise ein Grund zum Feiern und für zahlreiche Gratulationsbesuche. Nicht so in Coronazeiten. Das Heimatmuseum in Vilsbiburg feiert still und leider auch ohne Besucher – obwohl es viele Gründe gibt für eine öffentliche Würdigung.
Am 20. November 1910 wurde das Heimatmuseum vom 1. Bürgermeister Michael Winkler im ehemaligen Mädchenschulhaus im Kirchenweg 1 eröffnet. Vorausgegangen war ein Beschluss des Magistrats, in dem der Zweck dieses Museums eher knapp und sachlich beschrieben wurde, als „Ansammlung historischer Gegenstände“. Die Zeitung vermerkte zur Eröffnung: „Die geladenen Gäste … sprachen ausnahmslos günstig über die angesammelten jetzt schon sehr zahlreichen Gegenstände…“. Überlassen wurden dem Museum aus der Bevölkerung „geeignete, vorzüglich aus älterer Zeit stammende Gegenstände, Schriftstücke u. dgl. von auch nur einigermaßen kultureller und historischer Bedeutung …“
In den folgenden Jahren kommt das Museum allerdings nicht recht voran, Krieg, Nachkriegswirren und Inflation hemmen die Arbeit des Museumsausschusses unter Vorsitz des Zahnarztes Anton Bösl sehr. Ein Schwerpunkt der Sammlung, die Kröninger Hafnerware, allerdings, wird in diesen Jahren schon gelegt. Bartholomäus Spirkner, Ortspfarrer in Kirchberg, trägt viele damals noch verfügbare Erzeugnisse aus den verschiedenen Werkstätten zusammen, sammelt aber darüber hinaus auch historische Keramikprodukte aus der Gegend sowie Informationen über Herstellungsverfahren, Vertriebswege und Lebensbedingungen im Hafnergewerbe.
Um die Arbeit des Museums zu unterstützen, gründet sich am 27. Dezember 1928 der „Heimatverein für den Bezirk Vilsbiburg“, der auch mit der Herausgabe von volkskundlichen Publikationen für das Museum wirbt. Vertreten in diesem Gremium sind vorwiegend Honoratioren, wie der Rechtsanwalt Dr. Georg Lindner, der Bezirksschulrat Ludwig Steinbauer, der Arzt Dr. Josef Huber oder der Kaufmann Carl Zollner. Daneben Bankdirektoren, Mühlen – und Sägewerksbesitzer oder Pfarrer, dies zeigt die Bedeutung, die dem Museum und seinen Aufgaben zugemessen wurde.
Die Aufgaben gehen jetzt schon weit über das bloße „Sammeln“ von Gegenständen hinaus. Es geht nun um eine Erforschung der Heimatgeschichte, der Familiengeschichte, des Zunft-und Innungswesens, daneben aber auch der Waffen- und Münzkunde – sowie der „Pflege und des Schutzes der Naturschönheiten“. So werden auch Wanderungen in die nähere Umgebung veranstaltet und Feierlichkeiten bzw. Festveranstaltungen für ortsbekannte Persönlichkeiten ausgerichtet.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Gleichschaltung auch kultureller Institutionen nimmt die Bedeutung und die Aktivität des Museums jedoch rasch ab.
Eine Wiederbelebung findet so erst 1948 statt. Der neue Museumsleiter Gustav Laube, ein ausgewiesener Museumsfachmann, und der Redakteur Anton Feistle als Vorsitzender des Heimatvereins, bemühen sich, das Museum wieder voranzubringen. Doch die Zeiten sind schwierig, viel Arbeit, Mühen und Geld fließen in den Wiederaufbau und die Verbesserung der Lebensverhältnisse, und so dauert es bis 1958, bis ein weiterer, bedeutender Schritt in der Entwicklung des Museums einsetzt, der Umzug in das Heilig-Geist-Spital am Stadtplatz.
Trotz der neuen Räume bleibt das Platz– und Inventarisierungsproblem der vielen Sammlungsgegenstände, die Besucherzahlen sind wenig zufriedenstellend.
Mit der Wahl des Vorsitzenden Josef Billinger 1968 und der Ernennung des neuen Museumsleiters Lambert Grasmann 1973 wird die Arbeit des Museums neu belebt. Mit vielen neuen, jungen Mitgliedern im Heimatverein ziehen auch neue Ideen für die Museumsarbeit ein.
So gibt es von nun an ein strukturiertes Jahresprogramm mit Vorträgen und Fahrten, und vor allem die Einrichtung von jährlichen Sonderausstellungen. Diese werden jetzt auch möglich, weil durch zahlreiche Umbauten und Erweiterungen mehr Platz zur Verfügung steht, um die vielfältigen Exponate zu präsentieren. Dies wird von der Bevölkerung honoriert und so kommen am „Tag der offenen Tür“ 1973 mehr als 1000 Besucher, um die neuen Räume zu besichtigen.
Die Erweiterung der Sammlungen und die wissenschaftliche Erforschung gingen unterdessen unter Leitung Lambert Grasmanns und des 1. Vorsitzenden des Heimatvereins Peter Barteit intensiv voran, wieder wurden die Raumprobleme akut. Der Ausbau weiterer Räume im Stadtplatz Nr. 39 sowie im Dachgeschoss in den 1990er Jahren half hier nur für kurze Zeit.
2017 wird die herausragende Arbeit des Heimatmuseums unter Leitung von Lambert Grasmann honoriert durch die Verleihung des Bayerischen Museumspreises und die Einrichtung einer festangestellten Museumsleitung durch die Stadt Vilsbiburg.
Seit 2018 zeichnen die Museumsleiterin Annika Janßen-Keilholz und der Vorsitzende des Heimatvereins Stephan Priller für die weitere Entwicklung des Museums verantwortlich.
Anspruchsvolle lokal- und regionalgeschichtliche Museen wie das Heimatmuseum Vilsbiburg sind heute weit mehr als „Sammlungen historischer Gegenstände“. Neben dem Bewahren steht heute vor allem das Vermitteln im Vordergrund, das Vermitteln von Wissen über Herkunft und Werden, über Veränderungen und deren Gründe. Das Museum sammelt nicht in erster Linie für das Bewahren der Vergangenheit, sondern für ein besseres Verständnis der Gegenwart und einen bewussteren Weg in die Zukunft.
Dies geht einher mit anderen Schwerpunktsetzungen in Ausstellungen, Präsentationen und Begleitprogrammen. Die Museumsleiterin Annika Janßen-Keilholzführt dazu aus: „Das Museum muss versuchen, alle Generationen anzusprechen, muss pädagogische Angebote machen, muss aktive Vermittlung treiben und Besucher aktivieren.
Dies bringt Bürgerinnen und Bürger näher zur eigenen Gemeinde, schafft Nähe, fördert Wissen – und macht darüber hinaus natürlich auch Spaß!“
Diese Neuausrichtung gibt es allerdings nicht umsonst, sie kostet Zeit, benötigt Platz und nicht zuletzt Geld. Wichtige Schritte bei der Umsetzung sind mit der Einrichtung einer festen Museumsleitung und den Umbauten in den letzten Jahren getan worden. Will man diese, auch für die Region notwendige Entwicklung weiter fördern, dann braucht das Heimatmuseum nach Meinung der Verantwortlichen Räume für eine effektivere Depot- und Archivarbeit, Büroräume mit moderner Ausstattung sowie Aktionsräume, um auch größere Gruppen, wie z.B. Schulklassen im Museum betreuen zu können.
Natürlich ist das Heimatmuseum auch weiterhin angewiesen auf das Engagement von ehrenamtlichen HelferInnen und die wohlwollende Unterstützung durch die Stadt.
Auch wenn in den kommenden Jahren in Folge der coronabedingten Entwicklungen Ausgaben neu betrachtet werden müssen und viele Aufgaben zu berücksichtigen sein werden, so sollen in einer lebendigen Stadt, wie Vilsbiburg auch und besonders die kulturellen Bedürfnisse Gewicht haben.
Das Heimatmuseum leistet für das Gemeinwesen seit 110 Jahren seinen großen kulturellen Beitrag. Es wäre sehr zu wünschen, dass dieser in den kommenden Jahren noch intensiviert werden kann.
Auf viele weitere Jahre! Alles Gute zum Geburtstag!
Roger Jopp